…und silbernen Astras…

Die ersten Kuhtreiber am Morgen wecken mich. Die kenne ich schon aus der Türkei. Mittel der Wahl ist entweder die eigene Stimme, oder falls nötig, leichte Stockhiebe. Highlight war mal in der Türkei: da kamen bei einer Kaffeepause erst Kühe von rechts, dann von links (aber andere, ich wunderte mich zuerst, wieso die schon wieder zurück kommen) und dann noch eine Schafherde (oder evtl. auch Ziegen, das weiß ich nicht mehr genau). Die Schafe haben dann meine Töpfe durcheinander geworfen und überall Köttel hinterlassen 😉

Ich drehe mich nochmal um. Es ist schließlich noch vor 7 Uhr. Als die nächste Herde vorbeigetrieben wird, rappel ich mich dann doch endlich auf, möchte ja hier weg sein, bevor die meisten Leute hier auftauchen. Ich Trödelhannes frühstücke aber noch im Zelt und höre mein Hörbuch weiter (ist gerade so spannend!), bis das erste Auto kommt und genau am Weg vorm Zelt anhält. Ich höre Stimmen von Männern, die sich begrüßen, unterhalten, lachen. „Na toll. Hoffentlich lassen sie mich in Ruhe!“, denke ich und bin ganz still. Ich höre, wie sie am Zelt vorbeilaufen. „Ob ich wohl Ärger bekomme?“ Nein, natürlich nicht. Während ich endlich abbaue, sehe ich sie ca. 100 Meter weiter das Feld mit Hacken beackern. Als ich das Rad raus auf den Weg schiebe, schauen sie zu mir rüber. Ich winke. Sie winken zurück!

Auf geht es Richtung Tbilisi (Tiflis)! Es fängt ganz gut an, irgendwo muss ich wohl unbemerkt eine Abkürzung erwischt haben, denn ich stehe plötzlich vor diesem Schild:

In einem kleinen Städchen frühstücke ich Brot und Obst, das ich in verschiedenen Läden kaufe und entdecke eine Markthalle, in der es die verschiedensten Dinge gibt. Auch Radteile. Ich entschließe, mal zu schauen ob sich nicht eine Schnellspannachse für die Vordernabe auftreiben lässt. An der Stelle sitzt bei mir aktuell ein Pitlock, was eigentlich unnötig ist (ich glaube nicht, dass jemand etwas klauen wird, schon gar keine Einzelteile des Fahrrads), und wenn ich die Nuss dazu verliere, habe ich ein Problem (und einen Schlüssel habe ich ja schon in Sofia verloren). Aber Fehlanzeige. Nur Schraubachsen- und Naben gibt es. Und auch sonst alles mögliche, kreuz und quer durcheinander in vielen Haufen sortiert.

Die Georgier gefallen mir. Sie sind (wie bisher alle Menschen, die ich getroffen habe) super freundlich und hilfsbereit, aber nicht ganz so „aufdringlich“ wie einige andere Menschen, die ich in den letzten Wochen getroffen habe. Manchmal bin ich nämlich auch froh, mich einfach nur irgendwo auf eine Bank zu setzen, ohne, dass gleich jemand kommt und fragt wo ich herkomme und wo ich hin möchte. Obwohl das natürlich auch schön sein kann, aber eben nicht immer.

Kinder winken mir meist zu und rufen aus allen Richtungen „Hello! Hello!“ Und dann als nächstes „What’s your name?“ Oder „Where are you from?“. Oft enden da aber die Englischkenntnisse dann leider schon.

Auf der Straße stellt sich irgendwann die Frage, ob ich die Autobahn oder den anderen Weg mit mehr Höhenmetern wähle. Heute entscheide ich mich für die Autobahn. Tatsächlich ist nur sehr wenig los, es ist flach (mit Bergpanorama links und rechts) und der Wind schiebt ordentlich von hinten.

Sogar einen anderen Reiseradler sehe ich. Von weitem sehe ich schon das Rad, das an der Leitplanke lehnt, er selbst liegt etwas weiter, den Hügel runter, im Schatten eines Baumes und liest. Ich rufe ihm zu und winke ihm, zum Anhalten läuft es gerade viel zu gut, ich bin in einer Art Flow. Tatsächlich habe ich kurz nach dem Mittag schon über 80 km zurückgelegt. Was an der guten Straße ohne Steigung, dem Rückenwind und den fehlenden Möglichkeiten anzuhalten (da überall Leitplanke) liegt.

Ob diese Tankstellen-Kühe wohl besondere Milch geben?

An einem Restaurant auf dem „Fast Food“ steht, halte ich an um etwas zu essen und trinken. Es gibt Kaffee, dazu eine kühle Limo und auch etwas um den Magen zu füllen. Der Hausherr bringt einen Teller mit Kartoffelpürree und einem Stück Käse. Dazu ein Körbchen mit Brot (er hat mir keine Auswahl gegeben, es ist wohl das einzige, was da ist). Seltsamerweise stellt er die Sachen an das mir gegenüberliegende Tischende. Als ich es mir nehme, fangen er und seine Frau an zu lachen. Ich verstehe erst nicht, aber als er noch einen Teller für sich holt wird mir klar, ich habe ihm gerade seine eigene Portion geklaut 😀 Später gibt es noch eine ziemlich süße und leckere Apfelschorle dazu. Bezahlen darf ich aber nur Kaffee und Limo.

Irgendwann wandelt sich die Autobahn in eine etwas kleinere Straße, die einem Fluss durch ein Gebirge folgt.

Hier gibt es an vielen Stellen kleine Hütten, wo Keramik verkauft wird.

Und ich sehe ziemlich viele silberne Opel Astra. Das ist mir vor der Türkei schon aufgefallen, in der Türkei selbst habe ich dann aber keine mehr gesehen.

Sowohl Kombi als auch Limousine, obwohl mir die Kombis natürlich besser gefallen. Es wird so viel, dass ich bei jedem einzelnen lachen muss. Und dann fange ich an, sie zu zählen. Das geht so: Von den Autos, die mich überholen oder mir entgegenkommen (sie müssen selbst rollen, Autotransporter zählen nicht, und auch keine parkenden Autos, das wird zu stressig) werden immer 10 gezählt. Ist kein silberner Astra dabei, gibt es einen Punkt gegen sie, ist einer dabei, fange ich ein neues 10er Paket an und die Astras bekommen einen Punkt. LKW und Transporter zählen nicht mit. Ich bin natürlich auf Seite der Astras. Interessant ist, dass es immer die gleiche Modellserie ist. Neue sehe ich gar keine (ich glaube es gibt eine neuere Variante oder?) und von den älteren, etwas runderen, gibt es keine silbernen (ich glaube der Silber-Trend kam erst später).

Es geht 17:05 gegen die Astras aus, obwohl es anfangs lange unentschieden war. Ein Hund, der meint mich aufessen zu wollen, bringt mich aus dem Konzept. Und dann reicht es mir auch. Als ich beschließe aufzuhören, fahren gleich 10 silberne Astras hintereinander an mir vorbei (nein, natürlich nicht!). Witzigerweise hat gerade eben als ich das Wort „Hund“ geschrieben habe, ein eben solcher vor meinem Zelt geniest. Allerdings einer der freundlichen Sorte, vermutlich auf Futtersuche. Von denen gibt es hier auch einige:

Ich fahre noch ein paar Kilometer die Berg-Bach-Straße lang, treffe einen Autofahrer, der mich auf deutsch anspricht, und meint wir sollten zusammen fahren (überraschenderweise war er dann aber doch schneller als ich) und erfreue mich an diesem tollen Panorama:

(Man beachte die Fahrzeugtypen.)

Und falls es mal einen verstopften Abfluss gibt, Hompers-Olpe ist auch schon da:

Transporter oder LKW mit deutschem Aufdruck (und georgischem Kennzeichen) habe ich jetzt schon öfter gesehen.

Nicht allzuweit davon schlage ich mein heutiges Lager auf. Und schreibe, nun schon vollgegessen, diesen Artikel. Mit meinem Kocher verstehe ich mich auch wieder bestens. Vielleicht doch keine Zicke, sondern ich nicht genug Einfühlungsvermögen?

Und nebenbei denke ich darüber nach, wie schön Georgien ist.

Viele Grüße von eurem georgischen Pedalritter (oder Drahteselreiter?)!

2 Kommentare zu „…und silbernen Astras…“

  1. Hallo Florian,
    ich stelle mir das ganz schön stressig vor, diese ausgeklügelten Spielregeln (Astra gegen Klemptnerlieferwagen, aber keine auf Autotransportern) aufzustellen und gleichzeitig über die Autobahn zu düsen. Wir dagegen können uns ganz entspannt mit IQOQPQSPVMPI vergnügen. Es wird einfach oft verkannt, was die wirklich wichtigen Themen sind…
    Ich vermisse allerdings weitere votings bzgl. des WBF.

    Jedenfalls wünsche ich Dir, dass der Flow weiter anhält.

    VG
    Jörg

    1. Hey Jörg! Also bei den Regeln hast du leider ein paar Sachen missverstanden fürchte ich, ist aber nicht schlimm 😉 Für alles andere bin euch sehr dankbar, dass ihr so tapfer die Stellung haltet. Wobei ich manchmal doch in’s Grübeln kommen könnte, wenn es darum ginge einen steilen Anstieg gegen das Büro zu tauschen. Es hat eben alles seine Vor- und Nachteile. Den WBF habe ich tatsächlich ganz vergessen. Auf der Autobahn ist der tatsächlich so bei 0 oder 1! Doch weicht man davon ab, geht er exponentiell nach oben (ok, die Skala endet bei 10, vielleicht sollte ich die nochmal überdenken?).
      Viele Grüße Flo

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