Mit dem Rad nach Istanbul…

… kann ich nicht empfehlen!

Doch. Natürlich schon. Aber die letzten 50 km sollte man sich vielleicht sparen.

Aber zuerstmal: Ich bin angekommen! In Istanbul! Von Deutschland mit dem Rad, yeah!

Schon gestern, aber da war ich zu müde, faul, oder sucht euch eine beliebige Ausrede als Entschuldigung aus.

Vor drei Tagen bin ich dann nach fast dreitägiger Pause wieder aufgebrochen um die letzten Kilometer bis Istanbul zurückzulegen. Es war immer noch ziemlich sonnig und das nächste größere Ziel, Tekirdag, lag wieder am Meer. Bis dahin musste ich aber noch einige Hügel überwinden. Natürlich immer der Autobahn folgend, ähm.. nein eigentlich ist es keine offizielle Autobahn, aber eine Art Schnellstraße. Hat für mich den Vorteil, dass ich auch mit dem Fahrrad schnell vorankomme, es gibt einen Seitenstreifen, den ich in der Regel für mich alleine habe, ich habe keine Navigationsschwierigkeiten (es geht eben einfach nur geradeaus), und ich werde vor unnötigen Steigungen, Kurven etc. verschont. Auch Hunde zeigen sich hier nicht. Aber dafür gibt es auch gravierende Nachteile: Ich sehe nichts vom Land! Das ist der Hauptnachteil. Dazu ist es natürlich laut und ständig die Autos neben mir zu haben, ist auch nicht angenehm.

Das ist die Aussicht bei der Abfahrt nach Tekirdag.

Und das der Radweg am Ufer. Manchmal kommen mir die Radwege gefährlicher als die Straßen vor.

In der Türkei finde ich selten mal ein offenes WLAN, das war in Serbien für mich gar kein Problem, sogar in kleinen Dörfern nicht.

Und ich stelle noch etwas weiteres fest: Sobald ich anhalte, kommen Leute auf mich zu, die mich ansprechen, wissen möchten, woher ich komme, und dann erzählen, dass sie ja selbst schon mal in Deutschland waren, oder dass ein beliebiger Verwandter dort lebt. Auch zum Essen werde ich eingeladen! Aber da ich noch aus der Stadt raus möchte, und noch einen Platz zum zelten suchen muss, lehne ich ab,  und bin froh, als der „Sponsor“ einen Anruf bekommt, und ich mich aus dem Staub machen kann.

Zwei Polizisten sprechen mich an! Mit offiziellen Polizeirädern. Ihr interesse an mir ist aber zum Glück nicht dienstlich. Sie haben sogar Blaulicht und Sirene. Als ich sage, dass ich das auch gerne hätte, meinen sie nur „Sorry, special for us.“

Blöderweise wird es dann doch dunkel und für mich unangenehm auf der Straße mit den Autos zu fahren. Ich spanne mein Zelt quer auf den Träger, damit es das Rücklicht nicht verdeckt, und hoffe, dass bald eine Abfahrt in einem möglichst unbewohnten Gebiet erscheint. Am Ende lande ich irgendwo zwischen ein paar Feldern, am Eingang eines umzäunten Gartengrundstückes. Da der Weg ziemlich „frequentiert“ aussieht, mache ich früh wieder auf den Weg, da ich nicht entdeckt werden möchte. So bin ich schon um 6 Uhr wieder auf dem Rad. Im Hellen sehe ich auf einmal die schönsten Plätze um ein Zelt aufzustellen 😛

Frühstück gibt es heute am Wegesrand, und nebenbei buche ich mir ein Hotel für die kommende Nacht und auch schon für drei Nächte in Istanbul.. Alle Warmshower Anfragen haben nämlich entweder abgesagt oder nicht geantwortet. Und da der Aufpreis zum Hostel nicht so groß ist, gönne ich mir ein paar schnarchfreie Nächte. Außerdem ist es in so einer großen Stadt sicher gut, einen Rückzugsort für mich alleine zu haben (wie ich mittlerweile gelernt habe).

Die Fahrt entlang der „Autobahn“ ist nicht so ereignisreich, berichten kann ich da nur, dass der Verkehr mit abnehmender Entfernung nach Istanbul immer dichter wurde. War zu erwarten.

Nach meiner letzten Übernachtung vor Istanbul bin ich ständig von Häusern, Läden, Restaurants oder sonstigen Besiedlungen umgeben. Und das obwohl ich ca. 60 km zurücklege.

Das geht soweit, dass irgendwann 5 Spuren (3+2) in die Stadt führen, und ebensoviele wieder hinaus. Und ich mitten drin.

Ich stand noch im Stau mit meinem Rad!
Und es regnet, der erste Regen seit langem!

Die Autofahrer sind einigermaßen rücksichtsvoll, trotzdem ist das natürlich Stress pur. Einen Seitenstreifen gibt es hier nicht immer. Bergab ist es meist auch kein Problem, da bin ich dann schnell genug und fahre in der Mitte meiner Spur. So verhindere ich, dass Autos sich an mir „vorbeiquetschen“, ohne die Spur wechseln zu müssen. (Als ich auf den Tacho blicke, erschrecke ich mich fast, als dort einmal 50 km/h stehen, zwischen den Autos wirkt es nicht so) Bergauf traue ich mich das mit 10 km/h oder weniger aber nicht.

An solch einer Stelle bergauf, als der Seitenstreifen endet, traue ich mich dann tatsächlich gar nicht mehr weiter und versuche Nebenstraßen zu finden. Nicht so einfach, da es hier auch einige Einbahnstraßen gibt.

Ich bin platt. Miau!

Irgendwann mache ich kurz Pause, setze mich neben das Rad auf eine Stufe am Straßenrand und schaue in der Karte, wie es weiter geht. Schon steht jemand neben mir, der mir einen Tee bringen möchte: „Chai and Cookies!“. Als er dann mit einem Plastikbecher und drei Stückchen Würfelzucker ankommt, nehme ich die Einladung in das Restaurant dann doch noch an. Niemand spricht wirklich Englisch, aber jeder möchte sich mit mir unterhalten. Das läuft dann über eine Übersetzungs-App am Handy. Einer spricht in seiner Sprache hinein, und hält das schriftliche, übersetzte Ergebnis dem Gesprächspartner hin. Das geht eine ganze Weile so, während mir Reis, Bohnensuppe, Brot, Salat und sogar Eis serviert werden. Und am Ende waren es dann insgesamt drei Chai!

Dann geht es weiter, einen ziemlich steilen Berg hinauf, gefühlt der bisher steilste der Tour. Das hätte ich hier gar nicht mehr erwartet. Es reget. Genauer gesagt nur über meinem Fahrrad. Unter meinem Kopf. Ja. Das ist der steilste Anstieg bisher.

Oben angekommen, bin ich frustriert. Noch 35 weitere Kilometer. Aber irgendwie stehe ich das alles durch (ich habe am Morgen meine Wasserflasche mit der einer türkischen Zitronenlimonade mit hohem Zuckergehalt ausgetauscht).

Im Hotel angekommen soll ich dann mein Rad draußen an’s Fenstergitter ketten. Nein, kommt nicht in Frage! Obwohl es einen Tag zuvor nur abgeschlossen draußen stand, aber das war noch nicht mitten in der Stadt und direkt am Fenster der ständig besetzten Rezeption.
Nach etwas Überzeugungsarbeit kommt das Rad mit auf’s Zimmer. Wäre ja auch gemein, nachdem was es alles über sich ergehen lassen musste den Tag heute.

Leider kann ich euch kein Selfie am Ortsschild präsentieren, da ich keines gesehen habe (meine Konzentration galt auch eher den Autos als den Schildern) und es zudem geregnet hat. Dafür treffe ich aber Lorenz im Restaurant seines Hostels. Zusammen mit einem Australier, der vor zwei Wochen noch in Deutschland am Rhein war, in einem Ort, an dem ich am ersten Tag meiner Tour vorbeigekommen bin.

Das sehe ich auf dem Weg zu Lorenz!

Der Montag war dann leider ziemlich trüb und verregnet und ich habe mich einfach mal ein wenig durch die Gassen hier treiben lassen.

Mein Eindruck: hier gibt es alles. Und genausoviele Menschen. In Bildern oder diesem Blog kann man dem nicht gerecht werden. Und ich muss erstmal einen Reiseführer lesen, um überhaupt einen Überblick zu bekommen, was es hier alles gibt und wo man was entdecken kann.

Da ich drei Nächte gebucht habe, bleibt mir morgen noch als „freier Tag“. Mal sehen, vielleicht muss ich doch noch mal verlängern!

12 Kommentare zu „Mit dem Rad nach Istanbul…“

  1. Hallo Flo,

    Glückwunsch zu dieser bis dahin gelungen Reise, die Eindrücke die Du uns vermittelst sind schon gigantisch. Genieße Dein weiteres Vorhaben und bleib vor allem Gesund
    Gruß
    Lothar

    1. Danke Lothar!
      Es freut mich, dass ihr so mit dabei seid. Ich halte euch natürlich auf dem Laufenden.
      Liebe Grüße
      Florian

  2. Lieber Flo,
    erstmal Glückwunsch zu deinem Ziel Istanbul !! Ich freue mich ,
    dass du das so toll geschafft hast ( obwohl ich es zeitweise doch sehr
    gefährlich finde Autobahn .. Hunde 😉 …)
    Genieße die Tage in der Stadt mit ihren märchenhaften Eindrücken.
    Viele Grüße auch von meinen Kollegen , die deine spannenden
    Berichte soooo gerne lesen und deine Reise auch verfolgen.
    Supertolle Leistung lieber Flo aber sei trotzdem weiterhin vorsichtig .
    Eine schöne kleine Auszeit in Istanbul wünscht dir herzlichst
    Mama

    1. Danke Mama! Ja, Istanbul! Mindestens bis hierher wollte ich es schaffen. Jetzt erstmal ein wenig ausspannen und überlegen, wie es weiter geht. Vielen Dank und liebe Grüße (auch an die Kollegen)
      Flo

  3. Hallo Florian,
    Wow, Istanbul mit dem Fahrrad erreicht!
    Wir freuen uns alle mit Dir.
    Du hast uns übrigens angesteckt. Nie waren so viele Fahrräder auf dem Parkplatz wie jetzt.
    Du bist unser Held >>Veloman<<
    Wir sind schon gespannt auf die nächste Staffel:
    Veloman im Orient

    Viele Grüße
    Jörg

    1. Hallo Jörg!
      Na das ist doch mal ein guter Fall von Ansteckung 🙂
      Viele Grüße und danke für die lieben Worte!
      Florian

  4. Hallo Florian „The Veloman“ ,

    Du hast Istanbul mit dem Fahrrad erreicht, „Hut ab“ vor dieser Leistung!!!
    Ich hab Montag Föhr mit dem Fahrrad umrundet, dass reicht für die nächsten Monate 😅

    Liebe Grüße und weiterhin „immer genug Luft in den Reifen und in der Lunge!“ 😉

    Kai

    1. Hey Kai!
      Föhr mit dem Fahrrad ist doch auch richtig cool! Und ich finde, es muss eigentlich weder weit weg noch Fahrrad sein. Jeder soll das machen, was ihn glücklich macht und was ihm Spaß macht 🙂 Ist ja auch kein Wettbewerb.
      Und ich freue mich mega über jeden der „virtuell“ mit dabei ist, und dem ich ein paar Eindrücke von meinen Erfahrungen vermitteln darf. Danke für deinen Kommentar!
      Florian

  5. Hallo lieber Florian,
    vielen Dank für deine tollen Berichte und Fotos!
    Du siehst echt glücklich aus (auch wenn du momentan sehr dem jungen Reinhold Messner gleichst ;-)) Super wie weit du schon gekommen bist und wie viele Leute du kennengelernt hast. Hätte nie gedacht, dass die Hunde so Probleme machen. Sicher bist du auch neugierig wie es bei uns läuft, hab neulich den low end Button gedrückt 😅 mehr brauch ich nicht zu sagen.
    Ne,alles gut gegangen. Übrigens, eins der erwähnten Fahrräder ist meins!
    Ich wünsche dir Rückenwind und Bewahrung weiterhin
    Liebe Grüße Gabi
    auch von Celine 👌und Tanja 😊

    1. Hey ihr Lieben,
      ihr seid ja wirklich genial!
      Musste wirklich sehr lachen, als ich den Kommentar las.
      Dann hoffe ich mal, dass die Fahrrad-Entwicklung so weiter geht! Ich wünsche euch auch alles Gute und viele Grüße aus Istanbul!
      Flo (der wohl am Samstag weiter Richtung Osten fahren wird)

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