Manchmal (oft? (immer?)) ist es reine Kopfsache.

Warum der Titel? Es gibt natürlich nicht immer nur tolle Momente, sondern auch solche, wo ich müde, platt, genervt, traurig, voller Heimweh, oder zweifelnd bin. Heute habe ich z.B. schon geschaut, wo der nächste Flughafen wäre, um heim zu kommen (gar nicht mal so weit entfernt). Nach Flügen selbst habe ich noch nicht geschaut, so weit war ich dann doch noch nicht. Beim Verlassen von Sofia habe ich eine zeitlang überlegt, dass ich diese Strecke wieder zurück radeln müsse, falls ich doch heim fliegen wollte. Und die ersten beiden Wochen waren, was das betrifft, am schlimmsten.

Meist muss aber nur etwas Kleines, oft scheinbar fast Unbedeutendes geschehen, und die Stimmung ändert sich wieder. Jemand, der mir zulächelt oder -winkt. Eine Nachricht über Whatsapp oder den Blog. Ein Gespräch. Oder die Straße, die von einer Steigung in ein Gefälle übergeht, eine Veränderung in der Landschaft. Vielleicht werde ich irgendwann tatsächlich in einen Flieger steigen und zurückfliegen. Aber wo und wann das sein wird, steht noch in den Sternen.

Bei der Planung habe ich viel darüber nachgedacht, was sein würde, wenn ich körperliche Probleme bekomme mit Sehnen oder sonstigem. Oder was passiert, wenn das Rad kaputt geht, oder es ergonomisch nicht ganz passt (da ja erst kurz vor dem Start zusammengebaut). Oder was ist mit Visas, politischer Situation etc.

Vermutlich gibt es für alle diese Probleme eine Lösung, zumindest für die meisten. Letztlich entsteht die Entscheidung aber in meinem Kopf. Und der ist wahrscheinlich auch die größte aller Hürden. Es ist manchmal gar nicht so leicht, sich auf die Fremde, oder sagen wir mal die ungewohnte Umgebung einzulassen. Jedenfalls für mich!

Ok, genug philosophiert ;D

Heute Morgen hatte ich nicht die allerbeste Stimmung, nachdem es gleich schon wieder hügelig bei prallem Sonnenschein weiterging.

Später dann sitze ich in einem Café, trinke Kaffee und esse einen Toast, mit Blick auf das Meer. Und der Besitzer, Ali, setzt sich zu mir, fängt an mit mir zu reden, über meine Tour, Radfahren, die nächste Stadt Eregli (er hält sich die Nase zu, was wohl soviel heißt, dass die Luft dort nicht so gut sein soll, da viel Industrie). Ich erzähle ihm, dass ich gestern Abend viele Schüsse oder ein Feuerwerk gehört habe und er erklärt mir, dass nun der Ramadan begonnen hat. Sowas in der Art hatte ich mir gedacht, aber dass es gleich der Ramadan ist und ich das verpennt habe, ist mir dann doch etwas peinlich. Ok, wer mich kennt, weiß, dass ich in so etwas gut bin 😉

Also kein Essen oder Trinken, während die Sonne scheint, bzw. über dem Horizont steht.

Respekt an die, die das schaffen und durchhalten, ich würde das wohl nicht schaffen. Auf Radreise schon gar nicht (ich glaube, es gibt dafür aber auch Ausnahmen). Heute Abend hatte ich alleine 6 Liter Wasser dabei, weil ich noch kochen wollte und es morgen früh direkt bergauf weiter geht. Und einiges habe ich ja auch schon getrunken heute.

Ali hat meine Laune aufgebessert, und ab hier verläuft die Straße bis Eregli auch erst mal eben. Auch einige Tunnels (Tünel) die sogar ganz angenehm zu faren sind, obwohl es insgesamt einige Kilometer sind. Sie sind gut beleuchtet und zweispurig. Außerdem nur in meiner Richtung befahren, die andere Richtung fährt ohne Tunnel direkt am Ufer.

In Eregli stellt sich dann die Frage nach der Übernachtung oder dem Zeltplatz. Die Straße steigt nämlich 500 Meter an, das schaffe ich heute nicht mehr. Und am Hang etwas zu finden könnte schwierig werden. Trotzdem entscheide ich mich, mal in die Richtung weiter zu fahren.

Na das nenne ich mal einen Richtunggshinweis, den ich kaum übersehen kann. Tatsächlich fahre ich dann sogar in die Richtung.

Ab jetzt geht es bergauf. Ziemlich steil. Ich schiebe. Einen kurzen Moment glaube ich, ich würde es nicht schaffen, das Rad hier hochzuschieben, so steil ist es.

Oben angekommen schaue ich mir die erste Abzweigung an, die wie ein Feldweg aussieht und entdecke diesen tollen Platz:

Normalerweise versuche ich mein Zelt irgendwo versteckt aufzubauen, aber angesichts der Tatsache, dass es später schwierig werden könnte, da alles mehr oder weniger am Hang liegt (und meine Isomatte und Schlafsack fangen schon bei der kleinsten Neigung an zu rutschen), bleibe ich hier. Und einen schöneren Platz finde ich ganz sicher nicht mehr.

Gegenüber weiden ein paar Kühe, und während ich das Zelt aufbaue, kommt ein älterer Mann zu mir, der das Zelt neugierig bestaunt, mal hier mal da zupft und hineinschaut. Er reicht mir auch die Hand. Ich hole mein Telefon mit der Übersetzungsapp, aber das gestaltet sich schwierig. Er fragt, ob ich Hunger habe, und ich glaube, dass er mich zum Essen einladen möchte. Dann erzählt er, dass er fastet. Und macht immer wieder Gesten, die ich als schlafen und essen interpretiere. Er weißt in die Richtung seines Hauses. Ich bin mir wirklich unsicher, was er möchte. Ich kann ihn ja auch schlecht fragen, ob er mich zum essen einlädt. Auch bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich das möchte, jetzt wo mein Zelt schon hier steht. In der Zwischenzeit hat seine Frau die Kühe weggebracht und ihn nun per Telefon (ich vermute, dass sie es ist) erreicht. Dann meint er, er geht jetzt, macht aber immer wieder Andeutungen und Gesten, die ich so interpretiere, als wolle er, dass ich mitkomme. Ich frage ihn, wie ich ihn finde, und er antwortet, warum ich ihn finden müsse. Ich bin total verwirrt.

Bei einem übersetzten Satz mache ich einen Screenshot, so komisch ist der: „Niemand wird jemals ein Müll von hier sein. Niemand berührt mich hier in einer Woche mit einer Hüfte.“

Ja, und da soll man jemanden verstehen.

Ich beschließe, erst mal meinen Blog zu schreiben und abzuwarten, ob er wieder kommt. Wäre ja unfreundlich, wenn er mich wirklich einladen wollte und ich sitze hier und koche gerade Nudeln. Da es dann aber dämmerig wird und der Kocher zumindest beim Vorheizen eine ziemlich helle Flamme produziert, und ich keine unnötige Aufmerksamkeit erregen will, fange ich eben doch an. Es gibt Nudeln, mit Tomatensauce und Thunfisch. Gestern habe ich rausgefunden, dass man auch Tomatensuppe als Saucenpulver nehmen kann, in den Supermärkten finde ich nämlich kein „Fix“ mehr für Nudeln. Heute habe ich aber wohl eine Tomaten-Nudelsuppe erwischt. Beim Esssen wundere ich mich dann, was das Harte, Knirschende ist. Wohl die Nudeln, aus der Suppe, da ich die Sauce nur heiß gemacht und nicht gekocht habe.

Plötzlich ruft jemand. Ich sitze im Zelt, da ich dort schon meine Isomatte ausgebreitet hatte und es bequemer ist. Den (vorher randvollen) nun halb leeren Nudeltopf stelle ich schnell zur Seite. Es ist der Mann von vorhin! Er bringt mir Brot und eine große Schale voller Essen vorbei! Fleisch, Reis, Bohnen, und Salat. Unglaublich, ich bin begeistert! Andererseits bin ich aber eigentlich schon fast satt! Ich setze mich wieder in den Zelteingang und fange an zu essen. Der Kocher steht noch rum. Ich hoffe er durchschaut nicht, dass ich eigentlich schon was gekocht habe. Dann kommt auch noch sein Sohn dazu und während ich esse unterhalten wir uns wieder über die Übersetzungs App. Diesmal funktioniert das besser. Irgendwann sagt er, er geht jetzt, aber nicht, ohne sich vorher noch zu versichern, dass ich auch genug zu trinken habe.

Ich schätze morgen früh gibt es dann Nudeln mit Tomaten-Thunfisch-Sauce zum Frühstück! Vielleicht sind bis dahin auch die Beilagen-Nudeln aufgeweicht.

Ja, jetzt erinnere ich mich wieder, warum ich das hier eigentlich alles mache 🙂 Toll. Und manchmal unglaublich, wie sich so ein Tag entwickeln kann.

10 Kommentare zu „Manchmal (oft? (immer?)) ist es reine Kopfsache.“

  1. Egal wie weit du kommst und wo bzw. wann du in den Flieger steigst…..wir sind mega stolz auf dich!
    Danke, dass du uns mit deinen tollen Einträgen an deiner Reise teilnehmen lässt!
    Deine kleine Schwester

  2. Hi Flo,

    Auch ich verfolge deine Reise sehr aufmerksam und muss auch endlich mal was posten.
    Die Größte Kopfsache, sich überhaupt zu trauen loszufahren und alles (wenn auch nur temporär) hinter sich zu lassen, hast du auf jeden Fall geschafft und das schaffen die wenigsten! (gut, dann auch noch in und durch die Türkei zu fahren sowieso nicht :))
    Meinen größten Respekt dafür hast du, ob du umkehst oder weiterfährst (wobei ich dir trotz aller Strapazen letzteres wünsche).
    In jedem Fall wünsche ich dir aber weiterhin gutes Durchhalten, tolle Bekanntschaften und schöne Ausblicke!

    Urs

    1. Hallo Urs!
      Das freut mich riesig von dir zu hören, und vielen Dank für die Wünsche und die tollen Worte! Gerade frühstücke ich (nach einer Bergetappe gestern Abend) in Safranbolu. Ich bin wirklich froh über alle Erfahrungen, die ich bisher machen durfte und die vielleicht auch noch kommen.
      Liebe Grüße Florian

  3. Hello Flo ! Always a pleasure to follow you ! Yes, it’s sometimes hard… After Serbia, we went to Hungary, Slovaquia, Poland, Lituania, Latva, and now we are in 🇪🇪 Estonie, we will take the boat at Tallin to Helsinki in Finland ! 😁 Take care of you ! Doris and Stéphanie

    1. Hey Doris and Stéphanie!
      So nice to hear of you! Seems like your trip is also very cool and going on, great to hear! I’m pleased that you’re still following me! By the way: I enjoyed the honey during breakfast today very much 😉
      Have fun in Finland!
      Florian

  4. Hallo Flo,
    habe heute den Thomas getroffen und habe ihn nach dir gefragt.
    Er schickte mir netterweise den Link zu deiner Seite.
    Ich hatte in den letzten 2Wochen in den Alpen schon oft mal an dich gedacht und mich gefragt wie es dir auf deiner Reise wohl so geht ?
    Ich bin total begeistert von deinem Mut sowas zu machen.
    Werde mit Spannung deine weiteren Berichte weiterverfolgen.
    Wuensche dir von ganzen Herzen weiterhin viel Glueck
    Gruß Thorsten

    1. Hallo Thorsten, schön von dir zu hören!
      Ich hoffe doch, du hattest eine gute Zeit in den Alpen 🙂
      Viele Grüße, immer noch (aber nicht mehr lange) von der türkischen Schwarzmeerküste! Florian

      1. Hallo Flo ,
        soll dir auch noch mal Gruesse von meiner Frau Beate schicken. Sie ist total begeister von deiner Reisegeschichte.
        Habe ihr gestern Abend vorgelesen , das liebt sie …
        Gruß Thorstn

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