Rad-Geschichten aus der Türkei

Erstmal vielen Dank für all die lieben Worte Kommentare und Nachrichten (auch außerhalb dieser Seite) die ich von euch bekomme. Ihr seid großartig!

Und ich bin weiterhin unterwegs!

Es gibt so unglaublich viel zu erfahren und zu entdecken unterwegs, die Landschaft ändert sich häufig, es gibt viele schöne kleine Städtchen und Orte und die Gastfreundschaft ist bisher unübertroffen.

An Einiges muss ich mich aber gewöhnen. Z.B. an meinem Zeltplatz, von dem mein letzter Beitrag stammt, mit der tollen Aussicht: Ich konnte nicht nur alles gut sehen, sondern auch gut hören! Was, wenn man schlafen möchte, nicht immer so gut ist. Ich glaube es war aber eine besondere Nacht, wegen des Beginn des Ramadan, da kann ich es verzeihen um halb drei von Lautsprecherdurchsagen und Getrommel geweckt zu werden (ich bin ja auch hier der Gast und passe mich entsprechend an).

Wieder auf dem Rad, folge ich weiter der großen Straße, so bleiben mir Schotterwege erspart. Als ich kurz anhalte, um auf die Karte zu schauen und zu trinken, kommen sofort Straßenarbeiter rüber zu mir, und möchten mich einladen, zum Tee und zum Essen. Aber ich bin doch gerade erst gestartet! So plaudern wir nur ein bisschen, ich zeige ihnen meine Wegplanung entang der Küste, und sie sind begeistert. Habe ich schon erwähnt, dass ich ziemlich viel Straßenbau sehe?

Hier ist die Straße aber aus anderen Gründen blockiert.

Da die Straße mich immer wieder relativ weit über den Rest der Landschaft hebt, gibt es auch tolle Aussichten.

Viel Schatten gibt es dagegen nicht, und auch keine Wolken. Aber ich freue mich über eine Quelle, am obersten Punkt der Straße, wo ich gleich mal alles wasche, was es nötig hat. Vor allem Kleidung und mich selbst. Als ich gerade mit dem Kopf unter dem Hahn hänge und die Haare eingeseift habe (ja, ich weiß, das ist nicht sonderlich gut für die Umwelt, aber ich fühlte mich wirklich dreckig), hält ein Auto und ich frage mich, ob es wohl einen Kommentar zu mir gibt. Nein. Aber der Kofferraum wird geöffnet und mir wird ein Seifenspender angeboten 😀

An Bruchkanten kann man häufig die verschiedenen Schichtungen sehen. Das wäre bestimt auch ein interessantes Desktop-Hintergrundbild.

Hier hat jemand Gurken verloren. Erinnert mich an so eine Geschichte….

In einem größeren Ort besorge ich mir eine türkische Sim-Karte, da mein Datenvolumen langsam ausläuft, und sorge mich fortan darum, ob ich nun meine Seele verkauft habe, da ich natürlich nicht lesen konnte, was ich unterschreiben musste.

Und wieder einmal kümmere ich mich zu spät um eine Unterkunft und radel entlang der Straße durch eine Schlucht, ohne wirkliche Möglichkeiten das Zelt aufzustellen. Als dann ein Gewitter naht, finde ich doch noch ein Plätzchen:

Na, wer sieht’s? Das geübte Camperauge ….

Erst sehe ich es auch nicht, auf dem grünen Teil ist es uneben und am Straßenrand lehmig, in Anbetracht des Gewitters nicht gut.

Ja, da war doch so ein weißer Fleck. Hier hat jemand wohl etwas Zement/Beton oder was auch immer verloren. Wieso? Keine Ahnung. Aber ideal um mein Zelt drauf zu stellen. Es ist eben und ein paar Zentimeter erhöht, ich werde also nicht wegschwimmmen. Im Foto sieht man an der hellen Stelle, wo das Zelt gestanden hat.

Vielleicht hatte da jemand ein Herz für verzweifelte Radreisende. Es hat dann übrigens tatsächlich richtig ordentlich geschüttet, gedonnert und geblitzt. Und am Morgen gab es auch nochmal Regen. So viel kann ich sagen: Das Zelt ist zu 95% dicht 😀 Obwohl schon ein paar Jahre alt und das Nahtdichtband sich löst. Es wird wohl auch für die nächste Zeit noch ausreichen.

Hier hat jemand allerlei Müll und Schutt abgeladen. Das Spiegelschleiferherz entdeckt natürlich sofort die runden Granitscheiben, die ein nahezu perfektes Schleifwerkzeug abgäben. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich dann aber doch dagegen entschieden, sie mitzunehmen.

Immer wieder erfahre ich die tolle Gastfreundschaft der Türken. Mittags sitze ich im Schatten eines Bushäuschens, esse und trinke etwas. Da kommt ein Traktor mit Hänger und drei oder vier Personen vorbei. Er hält, ein Mann kommt zu mir und schenkt mir einfach ein Brot. Viele Male werde ich zum Tee eingeladen, oder von Menschen angesprochen, wo ich herkomme, wo ich hinfahre etc.

Bei näherer Betrachtung der nachfolgenden Strecke fällt mir auf, dass es nun extrem bergig an der Küste wird. Über 4000 hm auf 200 km. Immer wieder auf ca. 300 m hoch und wieder runter. Da ich da keine Lust darauf habe, plane ich um und verlasse die Küste erst einmal. Ich fahre Richtung Süden, nach Safranbolu, und möchte von dort wieder Richtung Osten weiter, um später wieder zur Küste zurück zu gelangen.

Hier habe ich insgesamt weniger Höhenmeter vor mir, und vor allem sind diese am Stück. Einmal auf gut 1000 m hoch und dann wieder runter. Das gefällt mir viel besser. Witzigerweise treffe ich einen der Straßenarbeiter von vor zwei Tagen wieder. Er meint, ich wäre falsch! Ich hatte doch erzählt, an der Küste langfahren zu wollen 😀 Ich zeige ihm meine neue Route und erkläre ihm, dass ich dem Auf und Ab der Küste ausweichen wollte. Er meint nur, dass ich da nicht fahren könne, und tippt mir ein Wort in die Übersetzungs-App. „Rugged“ ist die englische Übersetzung. Mir ist immer noch nicht klar, was er damit meinte. Bei der Verabschiedung sagt er, „See you in Kastamonu in two days!“, mit einem Augenzwinkern.

Die Straße steigt sehr lange kaum merklich an. Der Ausblick ist fantastisch und ich habe wieder einen Seitenstreifen für mich alleine.

Interessant ist, dass es einen Großteil der Zeit so wirkt, als fiele die Straße ab. Es sieht aus, als könnte ich mich einfach rollen lassen, doch die Beine sagen etwas Anderes. Eine optische Täuschung.

Hier ging es auch leicht bergauf, es sah aber anders aus. Auf einem Foto lässt sich das leider nicht vermitteln.

Später läuft die Straße parallel zu einem breiten Flussbett durch dessen Mitte sich ein kleiner Bach schlängelt. Die Bäume, die die Straße säumen, lassen es fantastisch aussehen. Ständig sehe ich Autos, die an der Seite halten, damit die Insassen sich gegenseitig in dieser Kulisse fotografieren können.

Am Fuße der eigentlichen Steigung, also an der Stelle, wo es steil wird, ist ein Fahrrad aufgesprüht, mit Pfeil nach links. Ich frage mich, was das soll und suche in der Karte nach dem möglichen Verlauf der Fahrrad-Alternative. Finde aber nichts. Ich denke wieder an meinen Straßenbau-Freund. Ob er das meinte? Ich entscheide mich, trotzdem weiter zu fahren. Es stellt sich als „gewöhnliche“ Passstraße heraus, nur dass der Seitenstreifen fehlt, was aber kein Problem ist, da nicht viele Autos unterwegs sind. Die die ich sehe, sind aber begeistert und winken und hupen mir zu.

Irgendwann wünsche mich mir eine Limo und einen Schokoriegel als Energielieferant und ärgere mich, dass ich nicht vorher daran gedacht habe. Kurz später erscheint mitten am Berg ein Laden inkl. Restaurant, wo ich eine kühle Limo und eine Tafel Schokolade kaufen kann. Manchmal ist das schon fast ein wenig gruselig.

Ca. 600 hm muss ich mich vom Beginn der Steigung nach oben schrauben. Ich rechne immer in 100er Schritten, später in 50er 😀 Langsam sinkt die Sonne Richtung Horizont, aber die Steigung möchte ich heute noch unbedint überwinden. Die Schokolade wird eingeteilt. Alle 50 hm darf ich ein Stück essen. Nicht mehr weit! Langsam merke ich es auch im Knie. Ich kalibriere den Höhenmesser neu und bekomme 40 hm „geschenkt“. Gleich geschafft!

Yeah!

Oben entdecke ich beim Umziehen und kurz vor dem Auswringen meines Shirts eine Quelle. Heute wird es zwar nicht mehr trocknen, aber nass ist es so oder so, da kann ich es auch gleich waschen.

Auf eine intensive Wäsche meinerseits verzichte ich aber lieber, sonst erfriere ich noch bei der Abfahrt. Es gibt noch einen kleinen Zwischenanstieg und nachdem ich den auch überwunden habe, entscheide ich mich, hier mein Nachtlager aufzuschlagen.

Gerade als das Zelt steht, fängt ein Hirsch an zu röhren. Na super. Konnte der sich das nicht früher überlegen? Dann wäre ich gleich weiter gefahren. Ich bin viel zu müde und faul um jetzt nochmal abzubauen. Stattdessen mache ich Musik an und starte ein Selbstgespräch mit mir, oder mit dem Hirsch, um auf mich aufmeksam zu machen. Das Röhren entfernt sich. Er lässt mich netterweise auch für den Rest der Nacht in Ruhe.

Am nächsten Morgen regnet es kurze Zeit ein wenig und der Lehmboden verklebt mein Rad, beim „Versuch“ wieder zur Straße zu gelangen:

Die Reifen hatten eigentlich mal ein Profil:

Da geht nichts mehr. Erstmal Saubermachen angesagt. Dafür darf ich dann aber anschließend nach Safranbolu runterrollen, ohne eine Kurbelumdrehung tun zu müssen.

Es gibt ein tolles Frühstück, sogar mit Spiegelei.

Und es kündigt sich ein Gewitter an:

Nicht so schlecht, das Rad hatte die Wäsche soweiso nötig!