Es geht weiter für uns!

Nachdem in den ersten Meldungen auftauchte, dass der IS den Anschlag für sich reklamierte, war für mich klar, ich fahre heim. Aber so einfach war es dann doch nicht.

Zu viel geht in meinem Kopf umher. Gedanken an die Radler, die so grausam umgebracht wurden. An die Überlebenden, an die Angehörigen. Über die möglichen Hintergründe, die Auswirkungen für uns, aber auch für die Bevölkerung. Meine Familie und Freunde. Ist es sicher, weiterzufahren?

Jetzt heimzufahren wäre genau das, was die Attentäter wollten. Was hätte die Radlergruppe gewollt? Wir sprechen mit sehr vielen anderen Radlern, im Hostel, über Internet, sprechen mit Botschaften und Einheimischen. Die meisten sind sich einig, dass es ab Khorog, der M41 folgend ziemlich sicher sein sollte, viele fahren sogar auf dem Stück davor schon per Rad weiter.

Nach langem Überlegen und Umentscheiden beschließen wir erstmal mit dem Taxi nach Khorogh zu fahren, um dann dort mit weiteren Reisenden zu sprechen und im Anschluss voraussichtlich entlang der M41 weiter zu radeln.

Da wir das erste Angebot von zwei netten Touristen ausgeschlagen hatten (wir hatten uns noch nicht entschieden, was zu tun ist), organisiert uns das Hostel ein Taxi. Etwas aufwendig, und nach langem hin- und her landen wir in einem Opel Astra. Wo auch sonst? Hinter Dushanbe waren gefühlt 2/3 der Autos Opels. Dies hat hier auf den raueren Straßen etwas abgenommen.

Die Räder werden mit allem was sich so findet auf dem gerade noch montierten Dachträger befestigt und dann geht es los.

Tschüss Kalaikum, wir haben uns hier für ein paar Tage gut aufgehoben und beschützt gefühlt, aber es fühlt sich auch gut an, wieder in Bewegung zu kommen, etwas zu tun.

Die Straße ist wirklich nicht die tollste und ich wundere mich, wie sich das für unseren Fahrer rechnet. Wir bezahlen 900 Somoni, das sind vielleicht 80€? für die Fahrt. Das muss doch schon mindestens die Reparatur der Federn und Stoßdämpfer kosten, die diese Fahrt fordert!

Einige Male versuche ich die Landschaft mit der Kamera einzufangen, und jedesmal stoppt unser Fahrer sofort, obowohl ich das gar nicht unbedingt möchte. Sehr netter Kerl.

Richtig genießen kann die Fahrt wohl keiner, was sicher auch an der Straße liegt. Ständig wandern die Gedanken zu den Geschehnissen der letzten Tage. Hier müssen sie auch entlang gekommen sein. Aber in die andere Richtung, zurück nach Dushanbe, wieder an der „Stelle“ vorbei wollte ich schon gar nicht fahren.

Die Landschaft ist unbegreiflich, für meinen Verstand kaum fassbar. Im momentanen Zustand sowieso nicht. Gewaltige Felsmassen türmen sich um uns herum auf.

Drei oder vier Mal überholen wir Radler, mit denen wir jeweils kurz sprechen. Gut. Nur nicht unterkriegen lassen. Unterwegs als friedliche Botschafter.

Im Dunkeln erreichen wir die Stadt, nach fast 9 Stunden und 250 Kilometern. Alle haben es gut überstanden, sogar der Astra („Jeep Tadschikistans“, sagt unser Fahrer).

Wir treffen hier auf viele Bekannte Gesichter, Radfahrer, Backpacker, Motorradfahrer. Manche von ihnen habe ich schon mehrmals zuvor getroffen. Natürlich sprechen wir über die Vorfälle, aber die Stimmung ist ruhig. Das tut auch uns gut.

Ich brauche einfach noch mehr Zeit zum Nachdenken. War das doch auch Teil meiner Motivation überhaupt loszufahren. Jetzt mit noch mehr Grübeleien zurückzukehren wäre nicht gut. Überhaupt empfinde ich Tadschikistan als den bisher intensivsten Teil meiner Reise. So viele Eindrücke, Impressionen, Gedanken und Verbundenheit habe ich selten zuvor gespürt.

2 Kommentare zu „Es geht weiter für uns!“

  1. Hallo Florian,
    wir sind alle bei Euch und fühlen mit den Opfern und Angehörigen. Ich finde Du machst es richtig. Nimm Dir Zeit. Überlege gut und höre vor allem auf Dein Herz.

    Pass auf Dich auf.
    Jörg

    1. Hallo Jörg,
      es tut gut zu wissen, dass ihr auch in Gedanken dabei seid und natürlich eure Kommentare zu lesen und darüber zu sprechen und sich auszutauschen. Danke!
      Hier in Khorogh sind sehr viele andere Reisende, und auch mit ihnen zu reden ist gut. Wir machen auch schon Pläne für die Weiterreise, was hilft abzulenken und es sogar mittlerweile schafft Vorfreude auf die nächsten Tage zu wecken. Natürlich liegt über allem ein Schatten, aber es hilft zu wissen, dass man nicht alleine ist.
      Liebe Grüße Florian

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