WARUM???!!!???

Eine Nachricht verändert alles…
Bis heute Mittag noch voller Euphorie für die Landschaft, die Menschen, ja fast mit rosaroter Brille unterwegs, holt mich eine Whatsapp-Nachricht in eine grausame Realität zurück.
Die Radler-Gruppe, mit denen wir noch vor drei Tagen zusammen in einem Dorf gecampt haben, ist Opfer eines Autofahrers geworden. Vier der sieben sterben. Auf der Strecke, die wir kurz zuvor selbst noch mit dem Fahrrad zurückgelegt haben.
So viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Erst ist nicht mal klar, ob es auch tatsächlich diese Gruppe ist. Die Nachrichtenseiten widersprechen sich bei den Nationalitäten der Toten und es gibt auch einige falsche Bilder.
Dann tauchen Bilder auf, auf denen ihre Räder eindeutig zu erkennen sind. Ich habe sie nicht lange vorher noch selbst fotografiert.
Das war ein wunderschöner Abend. Auf Zeltplatzsuche nach einem anstrengenden Passaufstieg finden wir ihr Lager überraschend mitten im Dorf.
Wir haben zusammen gesessen, gekocht, Räder wurden repariert, Infos über die bevorstehenden Wegstrecken ausgetauscht, über die Landschaft und die Menschen geschwärmt. Ich bewunderte ihre Ausdauer, gilt der Pamir in Ost-West-Richtung doch noch mal als wesentlich anspruchsvoller.
Eine bunte Gruppe, die uns sehr herzlich aufnimmt, uns mit Früchten und Geschichten beschenkt. Die Kinder der Anwohner springen zwischen den Zelten umher, schauen neugierig beim Zeltaufbau und Kochen zu.
Es ist kühl, für uns die erste kühle Nacht und man merkt, dass allen einige Höhenmeter in den Knochen stecken, denn es dauert nicht sehr lange, bis die meisten in ihren Schlafsäcken verschwinden. Ein paar Minuten sitze ich noch mit einem Schweizer zusammen, lasse mich von ihm beraten, ob es sich lohnt, durch das Wakhan-Valley zu fahren oder nicht, und dann verschwinden auch wir beide in unseren Zelten. Es ist die Nacht der Mondfinsternis, des Blutmondes, und das scheinen auch die Hunde zu spüren, die uns mit ihrem Gebell und Geheule den Schlaf erschweren.
Am Morgen sind dann schon fast alle auf den Beinen und in Aufbruchstimmung, als ich es endlich aus dem Zelt schaffe, und so frühstücken wir nur noch kurz zusammen, bevor wir uns verabschieden. Ich erinnere mich noch genau, dass ich ihnen einen „safe trip“ zum Abschied wünsche. Es hat wohl leider nichts genutzt.
Mir kommen die Tränen, kaum zu glauben, dass diese so lebensfrohen, glücklichen Menschen nun nicht mehr da sein sollen.
Mit meinem Mitradler, der genauso schockiert ist, überlege ich, wie es weiter gehen soll. Die Hintergründe der Tat sind unklar, angeblich sollen aber alle Verantwortlichen gefasst oder getötet worden sein.
Reise abbrechen? Einfach weiter fahren? Ich wünsche mir, mit den Übrigen der Gruppe sprechen zu können. Irgendetwas tun zu können. Wir haben leider keine Kontaktdaten ausgetauscht. Vielleicht ergibt sich das noch.
Beim Abendessen sprechen wir mit zwei Reisenden, die in einem gemieteten Auto mit Fahrer unterwegs durch den Pamir sind. Sie bieten an, uns mit nach Khorog zu nehmen. Wahrscheinlich werden wir das annehmen, und dann dort mit weiteren Reisenden zusammen überlegen wie und ob es weiter geht.
Eine andere Radlergruppe, die hier in der Nähe campt, hat gerade die gleichen Überlegungen.
Jeder scheint hier jeden zu kennen, oder zumindest über ein paar Ecken Kontakt zu haben. Ob im Hostel getroffen, unterwegs, über Wahtsapp, Facebook, oder auf anderen Wegen. Es fühlt sich an, wie eine große Familie. Eine, die nun etwas kleiner geworden ist.
Ich fühle mit den Hinterbliebenen und den Angehörigen. Ein großer Schmerz, auch wenn es nur eine kurze Bekanntschaft war. Unvorstellbar, wie jemand so etwas tun kann.

8 Kommentare zu „WARUM???!!!???“

  1. Hallo Florian,
    es fehlen die Worte für das was geschehen ist.
    Ich wünsche dir, dass du eine gute Entscheidung treffen kannst. Bleib bewahrt.
    Viele liebe Grüße
    Gabi

    1. Hallo Gabi!
      Vielen Dank. Wir fahren nun weiter nach Khorogh mit dem Taxi und schauen dann. Vielleicht können wir doch noch von dort auf der besseren und ruhigeren Straße mit dem Rad weiter fahren.
      Liebe Grüße Flo

  2. Hallo Florian,
    ich hoffe und bete das du ok bist.
    Egal was auch passiert ist passe extrem auf dich auf .
    Wir haben dich alle extrem ins Herz geschlossen.
    Ueberlege gut und uebereile keine Entscheidungen.
    Kopf hoch Thorsten

    1. Hallo Thorsten!
      Auch dir vielen Dank. Es ist eine ganz hässliche Ausnahmesituation. Es ist mir unverständlich wie man sowas tun kann. Grauenhaft. Aber jetzt aufgeben und sofort das Land verlassen ist vielleicht auch nicht das Beste. Genau das wollen die doch.
      Wir fühlen uns hier sehr aufgehoben und willkommen bei den Einheimischen. Schauen wir mal wie die Meinung in Khorogh ist und ob es weitere Entwicklungen gibt. Bis Bishkek oder Almaty würde ich schon gerne noch fahren. Und dann freue ich mich aber auch wieder langsam nach Hause zu kommen.
      Liebe Grüße Flo

  3. Schöne Worte Flo. Es tut mir unendlich leid für alle Betroffenen und Hinterbliebenen. Es ist traurig und furchtbar. Die Frage Warum, wird uns wohl nie Jemand beantworten können. Für solche Grausamkeiten gibt es keinen auch nur annähernd normalen Grund. Es tut mir auch leid für die wundervollen, gasfreundlichen und lieben Menschen die in den kleinen Dörfern entlang des Pamir Highway wohnen. So viel wurde damit zerstört und auch ihre Zukunft verändert.
    Ich bin Dankbar, dass ich die Gegend und all ihre Vorzüge und Annehmlichkeiten geniessen durfte ohne Angst zu haben… und ich wünsche mir, dass dies auch Andere wieder können.
    Wir sind in Gedanken bei allen Angehörigen und allen Reisenden. Lasat euch den Mut nicht nehmen die Welt zu entdecken!
    Pass auf dich auf Flo!

    1. Hallo Andrea,
      danke. Du sprichst mir (und sicher vielen anderen Reisenden) aus der Seele.
      Den Mut nicht nehmen zu lassen ist wichtig, aber nicht immer leicht.
      Wenn sich abzeichnet, dass es ein Risiko ist weiter zu fahren, werde ich umkehren oder ein Auto nehmen, alleine schon wegen vieler sich sorgender Verwandten und Freunde.
      Aktuell sieht es auf der M41 hinter Khorog ganz gut aus. Ich habe auch ein paar Worte mit der Botschaft gewechselt.
      In Khorog wissen wir dann bestimmt mehr. Vorausgesetzt unser Taxi kommt noch ;P
      Liebe Grüße Flo

  4. Hallo Flo.
    Erst mal freut es mich das es dir gut geht. Egal welche Entscheidung du jetzt triffst, es ist die richtige. Ich kann nur sagen, würde mich freuen, dich bald wieder zu sehen. Schöner wäre es wenn du deinen Traum weiter lebst. Wir fiebern auf jeden Fall mit dir.
    Egal wie, pass auf dich auf.
    Gruss
    Thomas

    1. Hallo Thomas! Danke! Es tut wirklich gut zu wissen, dass so viele gedanklich bei einem sind. Wir sind nun in Khorogh und planen gerade die Weiterfahrt für morgen. Das fühlt sich gut an.
      Liebe Grüße Flo

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