Die Reifen meines Rades sind rund und fahren mich durch die Welt.

Schönen Abend zusammen!

Eine ganz schön große Stadt ist das mit Tiflis schon wieder mal. Irgendwie interessant, dass mein Weg mich bisher fast immer durch die Hauptstädte der Länder geführt hat, bis auf die Türkei und Griechenland. Und in Aserbaidschan werde ich dort auch wieder einige Tage verbringen.

Natürlich ist es ein ziemlicher Kontrast zum Rest des Landes. Ziemlich viel Verkehr, viele Menschen, Hektik. An den Straßenverkehr gewöhne ich mich langsam. Geringerer Seitenabstand zu den Autos, manchmal gibt es keine Spurmarkierung, dann entscheidet, wieviele Autos nebeneinander passen. An einigen Kreuzungen sehe ich Polizisten, die den Verkehr regeln, obwohl die Ampeln funktionieren. Ich wundere mich erst, merke aber dann, dass hier rot von den Autofahrern schonmal großzügig ignoriert wird. Viel gehupe (vermutlich verkaufen die Ungarn ihre ungenutzten Hupen in die östlicheren Länder als Ersatzteile?). Wobei die Hupe für alles genutzt wird: zur Warnung, dass überholt wird; zur Begrüßung; bei Ungeduld an der Ampel oder um entgegenkommende Radler auf sich aufmerksam zu machen und zu grüßen 😉

„Gewöhnung daran“ heißt eher für die vorderen und hinteren drei Autos mitzudenken, als dass es Spaß macht. Nein, das wird wohl nicht passieren.

Bei der Ausfahrt aus Tiflis komme ich sogar an einer Stelle vorbei, an der sich zwei Autobahnen kreuzen, ohne Ampel. Wie und wieso überhaupt das funktioniert, ist mir nicht ganz klar.

Tiflis ist jetzt aber nicht ungewöhnlich schlimm, ich habe einfach nur gerade etwas Zeit und Lust, um zu dem Thema etwas zu schreiben.

Ich gönne mir einen radfreien Tag und fahre mit einer Gondelbahn auf einen Berg. Hier oben gibt es einen schönen Ausblick über die Stadt:

Und außerdem einen Vergnügungspark. Inlusive Planetarium!

Natürlich schaue ich mir das an, ich muss ja sehen, was die „Konkurrenz“ so macht. Erfüllt das dann eigentlich schon den Tatbestand der Industriespionage? ;D

Es ist eine relativ große, aufblasbare Kuppel, innen gibt es Sitzsäcke und die Technik besteht aus einem einfachen Beamer, der auf eine verspiegelte Viertelkugel projiziert. Die Show ist ziemlich multimedialastig, im Hintergrund psychidelische Musik. Nicht ganz so mein Fall, ich mag eher die einfache Sterndarstellung, aber dafür lässt sich vermutlich schwerer begeistern. Trotzdem nicht schlecht, finde ich toll, dass es hier sowas überhaupt gibt!

Sonst gibt es auch noch Achterbahnen, Geisterhäuser, Wildwasserbahnen, Dinoparks und vieles mehr. Ich belasse es aber beim Planetariumsbesuch und laufe nur etwas umher, genieße das Gefühl des sonnengeheizten Asphalts an den Fußsohlen.

Die Insassen dieser Bahn freuen sich gerade, nicht wirklich nass geworden zu sein. Doch was sie nicht wissen, ist, dass die Betreiber die leere, parallel laufende und etwas kleinere Bahn auch losgeschickt haben. Und deren Gondel wird gleich für ein paar triefnasse (aber so richtig!) Touristen sorgen, die sich zuvor noch gefreut haben. Verrückt!

Zurück im Hostel, denke ich, kann ich die Plastikkarte für die Bergbahn-Gondel bestimmt für andere Touristen hinterlassen. Hat immerhin zwei Lari gekostet. So wie es aussieht, hatten diese Idee aber schon andere vor mir, denn die Frau am Empfang hält mir gleich einen ganzen Fächer dieser Karten hin!

Als ich das (zum Trocknen aufgehängte) Zelt am nächsten Morgen vom Wäscheständer nehme, entdecke ich einen Kakerlak (die kenne ich bisher zum Glück nur aus dem Zoo) zwischen den Zeltplanen. Huch, der ist aber nicht von mir! Ohrenkneifer ja, aber das Vieh muss ein Hostelinsasse sein. Als er verschwunden ist, ohne dass ich sehe, wohin, packe ich alles nochmal aus. Sind die nicht Allesfresser und mögen evtl. auch Zeltstoff?

Aber dann! Auf geht’s! Wieder auf’s Rad!

Heute läuft es ziemlich schleppend. Der Wind hat gedreht, und ich spüre Muskelkater in der Wade, wahrscheinlich vom Laufen in Sandalen gestern. Außerdem schwirrt mir mal wieder ziemlich viel im Kopf umher.

Die Landschaft lenkt mich ab, an manchen Stellen sieht es wirklich fantastisch aus. Dazu kommen dann noch die tollsten Wokengebilde.

Leider gibt es auch andere Kontraste:

Ändert man hier die Perspektive etwas, sieht das so aus:

Langsam werde ich wirklich müde. Noch ein paar Fotos, und dann habe ich den Höhepunkt der heutigen Strecke erreicht.

Den Rest rolle ich. Da es morgen erst mal bis mittags regnen soll (wobei die Vorhersage oft ziemlich daneben ist), möchte ich nach einem Hotel nahe der Grenze Ausschau halten. Mein Visum gilt erst ab morgen. Parkplätze für LKW gibt es hier viele, da würde ich zwar sicher auch unterkommen, aber sich bei Regen aus dem Zelt schälen zu müssen, ist nicht so schön.

Hab‘ ein Nest entdeckt! *

An der Stelle, an der in meiner Karte ein Motel sein müsste, steht ein Restaurant, in dem ich nachfrage. Die Kommunikation ist schwierig, nach einigen Minuten kann ich aber doch erklären, dass ich eine Unterkunft suche, die noch in Georgien liegt, wegen des noch nicht gültigen Visums (wir befinden uns weniger als 1 km von der Grenze entfernt). Ich soll erstmal einen Cay trinken, dann würden wir uns um das Hotel kümmern, bedeutet mir ein Mann, der mich fortan mit „English“ anspricht, als wäre das mein Name. Ich verspüre das Bedürfnis, meinen Kopf auf den Tisch zu legen und die Augen zu schließen. Müde! Nachdem ich den Kampf um das Bezahlen des Cay gewonnen habe, fährt „English“ (ich nenne ihn der Einfachheit halber jetzt genauso) in seinem Auto voraus, um mich zum 400 m entfernten Hotel zu bringen. Eine Schotterpiste runter, zu einem etwas seltsam aussehenden (etwas heruntergekommenen) Restaurant / Hotel. Ein Mann begrüßt English und mich und zeigt uns ein Zimmer. Wieviel es kosten soll, frage ich. 60 Lari. Oder alternativ 30 Dollar. Ganz schön teuer für diese Hütte, finde ich. Und ich habe nur noch 20 Lari. Ich schlage ihm 20 Dollar vor. Er winkt ab. Und jetzt kommt der Grund, warum ich dies überhaupt erzähle: English zieht auf einnmal ein großes Bündel Dollarscheine aus der Tasche, um mir 10 davon geben zu wollen!!!

Kommt natürlich nicht in Frage. Der „Hotel“besitzer gibt sich dann mit 20 Dollar (natürlich meinen) und meinen letzten 20 Lari zufrieden. Nur zum Vergleich, im Hostel hätte ich dafür 4 Nächte bekommen, und das war schon doppelt so teuer wie andere Hostels (und es sah auch nicht nach Kakerlake aus, die passt eher hierher ;-)). Und kein WLAN (jedenfalls bekomme ich den Schlüssel nicht, der Router hängt direkt vorm Zimmer). Dann wird der Beitrag eben in Aserbaidschan hochgeladen.

Nein, ich will mich nicht beschweren, ich habe ne trockene Unterkunft und kann morgen direkt weiter nach Aserbaidschan radeln. Aber English fand ich schon ziemlich erstaunlich!

Ich wüsche euch mal eine gute Nacht, auch wenn die schon vorbei sein wird, wenn ihr das lest. Und nun: Augen zu 😀 Endlich! (bin mal gespannt, ob der Kollege aus dem Nachbarzimmer sich bis morgen früh zu mir durchgesägt hat).

[Nachtrag: es hat natürlich nicht geregnet, keinen Tropfen. Da hätte ich auch „English“ fragen können, in seinem Garten zelten zu dürfen. (Englischer Garten?)]

*An dieser Stelle möchte ich offiziell um Entschuldigung von allen Fahrern betroffener Automodelle bitten, ich verfolge keine bösen Absichten oder Hintergedanken. Danke für euer Verständnis 😉

2 Kommentare zu „Die Reifen meines Rades sind rund und fahren mich durch die Welt.“

  1. Hi Flo,
    So langsam solltest du in jedes vegane Cafe in Kreuzberg gehen können, ohne aufzufallen! Evtl die Sandalen noch tauschen und die Hipster Symbiose ist perfekt. Spaß beiseite.
    Schaue hier regelmäßig vorbei und lese fleißig, wie es so bei dir läuft. Immer interessant deinen Blog zu lesen und dich so kurz zu begleiten.
    Viele Grüße nach Aserbaidschan

    Ps: der Bart bleibt hoffentlich bis zur Rückkehr dran

    1. Hey Pierre!
      Ich schätze, dass das demnächst alles andere als vegan wird, bei mir 😮
      Ja der Bart bleibt noch ein wenig, zumindest solange er sich noch nicht in den Speichen verheddert.
      Danke dir und ebenso viele Grüße zurück nach Deutschland! Flo

Kommentarfunktion geschlossen.