Dem Himmel nah

Zuerst einmal noch ein Bild zu Murghab, so ganz gerecht wurde das Bild im letzten Beitrag der Stadt nicht (auch wenn es trotzdem nicht meine Lieblings-Stadt wird):

Wunschvorstellung war, an einem Tag bis Karakul zu fahren. 130 km und den höchsten Pass dazwischen. „Wenn alles super super gut läuft…“ hatte ich gesagt. Da habe ich mich gehörig überschätzt. Denn es kommt anders.

Mit ordentlich Gegenwind geht es los, obwohl ich den Abend zuvor noch mit Rückenwind fast nach Murghab geflogen bin. Aber nun ändert sich auch die Fahrtrichtung, es geht nun nach Norden.

Mit Musik und Hörbuch geht es doch irgendwie voran (mit 10 km/h trotz fast noch flacher Straße) und irgendwann bessert sich auch die Windsituation. Beschweren darf ich mich nicht, hatte ich die letzten Wochen doch immer guten Rückenwind.

Yaks überqueren die Straße an einer Wasserstelle:

Auch ich mache hier Pause, um meine Geduld wieder einmal mit dem Kocher auf die Probe zu stellen:

Als ich das Rad abstelle denke ich noch: „Nicht, dass es umkippt und die Brücke runter im Bach landet…. Nee, müsste gehen, dafür steht es weit genug vom Rand entfernt.“

Es kippte dann, als ich gerade unten mit dem Kocher am Wasser saß. So konnte ich dann gleich meine Sachen aus dem Bach fischen. Das Rad stand weit genug entfernt, aber das hinderte die Dinge aus der offenen Tasche nicht, herauszufallen. Bücher, Powerbank, Waschbeutel… Auf dem Bild war schon alles wieder aufgeräumt und das Rad steht andersrum (in Richtung des Ständer fällt es nie). Aber halb so schlimm.

Nach der Pause sehe ich immer mal wieder ein paar Radler, die mir im Abstand von 1-2 km folgen. Meine bisherigen Mitradler sind es nicht, da die in Murghab noch pausieren wollten.

Eine Ruine am Weg, im Hintergrund ein Berg und dazwischen der Grenzzaun zu China, an dem ich ab jetzt längere Zeit vorbeiradeln werde, und mir den Kopf über dessen Sinn zerbreche.

Die Sonne bruzzelt hier ganz schön ordentlich. Statt Schweiß riechen Haut und Kleidung nun nach Ozon. Ich fahre entweder komplett bedeckt, mit langen Ärmeln und Hose, Handschuhe, Brille und Hut, oder creme alle ungeschützten Hautstellen ein, obwohl die nun schon einige Monate Dauerbesonnung gewöhnt sind.

Unachtsamkeit rächt sich sofort, das habe ich die Tage zuvor gelernt:

Die beliebten (rechts noch roten) Sandalenstreifen, man erkennt auch deutlich, dass ich gen Osten geradelt bin. Auch auf den Nacken muss ich besonders aufpassen und wo der Hut nicht reicht, trage ich ein Zusatz-Tuch um den Hals.

Abends wird es dann kühler und der Wind weht mir wieder entgegen. Ich verspreche mir selbst noch einen Schokoriegel, bei den nächsten glatten 50 Höhenmetern, muss dieses aber dann brechen, da es relativ flach ist, ich kaum Höhe gewinne und nur gegen den Wind anstrampel. Schluss für heute! Eine Stelle unter einer Brücke verspricht Windschutz und tatsächlich läuft sogar mein Kocher einnwandfrei und bereitet mir ein köstliches Abendessen (Nudeln, was sonst?):

Am nächsten Morgen beim Frühstück holen mich meine beiden „Verfolger“ ein. Zwei Holländer! Sie haben die gleichen Erfahrungen mit dem Wind gemacht, und etwas weiter unten gezeltet. Von nun an werde wohl ich ihnen folgen.

Das Radeln geht heute morgen viel besser. Der Wind kommt nämlich nun von hinten und schiebt uns den Berg hinauf. Jetzt wird es nochmal steil und dann kommt die Abfahrt (denkste!):

Selfie am Passschild:

Ein paar Höhenmeter sind es noch, und der letzte Kilometer ist steil und sandig. Es geht mit 4-5 km/h vorwärts. Nur nicht absteigen, schieben ist noch anstrengender und wieder aufsteigen schwierig. Letztlich muss ich dann aber doch aufgeben und schieben. Schwierig, da meine Radschuhe auf dem Sand kaum halt finden, ich das Rad immer nur ein paar Zentimeter vorschieben kann um dann wieder neuen Halt mit den Füßen zu suchen. Neben mir geht einer Motorradfahrerin die Maschine aus. Ich bin also nicht der Einzige mit Problemen. Dafür ist die Sicht zurück fantastisch:

Eine Kurve später kann ich auch wieder aufsteigen und die letzten Meter zurücklegen.

Höchster Punk! Geschafft!

Diesmal habe ich einen Riegel in B-Qualität erwischt, und auch den Höhenmesser habe ich offensichtlich nicht richtig kalibriert:

Zwischen all den Gesteinsmassen komme ich mir manchmal ziemlich klein vor. Aber das macht das Denken leicht. Und auch wenn ich mich hier in meiner eigenen Geschwindigkeit ohne Mitradler hochkurbele bin ich nicht alleine unterwegs.

Oben treffe ich sofort auf andere „Gipfelstürmer“, die genauso froh sind, angekommen zu sein und ebenso Selfies und Fotos machen.

Auf dem Weg bergab zeigen sich die Berge wieder von ihrer schönsten Seite:

Mir fällt ein, dass ich noch ein Bier habe, dass ich eigentlich für den Abend in Murghab gekauft hatte. Was gibt es schöneres, als dieses jetzt in Dünsberg-Manier auf dem Gipfel zu genießen:

Prost! Im Nachhinein ist es mir eigentlich zu peinlich, aber wegen der Geschichte kommt es nun mit rein: Als ich das Foto mache, kommt gerade einer der Franzosen, die ich oben getroffen habe, den Weg langerollt, und ich lasse die Kamera schnell in der Tasche verschwinden. Es kommt eine Windbö und er weißt mich darauf hin, dass meine Sonnenbrille auf dem Rad liegt und Gefahr läuft weggeweht zu werden. Tatsächlich greife ich sie noch im letzten Moment, als sie schon fast wegfliegt und bedanke mich gerade bei dem Franzosen, als die Windbö anschwillt, der Lenker des Rades umschlägt, es anfängt zu rollen.

In leichterr Panik versuche ich nach dem Rad zu greifen, in der einen Hand die Brille, die ich dabei zerdrücke, in der anderen Hand das Bier, das ich zur Hälfte über das Rad entleere. Das Rad kippt trotzdem. Und die Kamera landet im Staub auf dem Boden.

An der nächsten Wasserstelle ist also erstmal Radwäsche angesagt:

Nichts Schlimmes passiert, nur die Zoomwippe der Kamera knirscht nun etwas.

Mittag esse ich in einer Yurt, meinen Kocher würde ich auf der Höhe mit dem Wind eh nicht anbekommen.

Ein paar Mongolia-Rallye-Fahrer sitzen auch hier zusammen. Sie wollen aber wieder aufbrechen, ohne viel gegessen zu haben, da angeblich die Grenze um 2 Uhr schließt (was ich nicht glaube, aber sie sind nicht davon abzubringen). Bis 2 Uhr könnten sie es noch schaffen, und so stürmen sie los.

Als ich etwa 10-15 Minuten später selbst wiederr auf’s Rad steige, schaue ich auf die Uhr, es ist schon fast halb drei! Die Pamiris rechnen nämlich nach Kirgis-Zeit.

Und so rüttel ich mich weiter bergab, auf einer Waschbrettpiste der übelsten Sorte.

Die Landschaft entschädigt aber und auch die schlechte Straße endet irgendwann. Pünktlich setzt aber nun ein starker Gegenwind ein. Und auch die letzten Kilometer nach Karakul werden trotz Gefälle ziemlich anstrengend.

Den See kann man schon von Weitem sehen:

Das Spiel der Wolken, das sich während die Sonne untergeht, ständig verändert, verfolge ich und kurbel mich Meter für Meter dem kleinen Örtchen Karakul entgegen.

Hier sieht an sogar eine Wind-/Wasserhose oder einen Staubteufel:

Es wird kühl und der Wind stärker, die Sonne geht bald komplett unter. Mit Nebensonne:

Der bisher härteste Tag für mich. Kurz nach Sonnenuntergang komme ich im Ort an und nehme den ersten Homestay, den ich sehe. Eine Mongolia-Rallye Gruppe ist auch gerade eingetroffen. Aus ihnen, mir und einem weiteren spanischen Radler besteht die heutige Abendgesellschaft.

Meine Kamera hat wohl doch etwas abbekommen, denn nun zoomt sie sofort komplett ein, wenn ich sie anschalte. Schütteln, klopfen und reinblasen helfen als Sofortmaßnahme leider auch nicht, im Gegenteil nun zeigt sie nur noch ein schwarzes Bild und meldet, dass sie aus- und wieder eingeschaltet werden möchte.

Mehr aus Spaß als ernst frage ich, ob jemand passendes Feinwerkzeug dabeihat. Und tatsächlich hat Lory, einer der italienischen Mongolia-Rallye Fahrer einen Mini-Schraubendreher dabei, den er für die Justage seines Brillengestells benötigt.

Die Abendbeschäftigung, sobald wir gegessen haben, ist damit für mich geklärt:

Im Licht der Handytaschenlampe (die Solar-Batterie gespeiste Raumbeleuchtung ist eine ziemliche Funzel) versuche ich die Kamera wieder flott zu bekommen. Innen sieht es aus, als hätte ich in einem Sandsturm fotografiert. Die Aktion hat nur mäßigen Erfolg: Die Zoomwippe läuft zwar wieder, aber der andere Fehler bleibt, und nun sind nach Zusammenbau auch noch ein Teil und eine Schraube übrig!

Zum Glück verschwindet der Fehler später von selbst wieder (auch wenn er am nächsten Tag öfter wieder auf sich bemerkbar macht, was ich aber mit Klopfen beseitigen kann ;D). Meine eigene Kamera möchte ich lieber nicht sein, haha!

Dafür was sie bisher geleistet hat, kann ich aber wohl sehr zufrieden sein, fast 8000 km in der Lenkertasche über schlimmmste Pisten, um dann ständig immer nur für ein oder zwei Fotos an- und wieder ausgeschaltet zu werden. Ein bisschhen soll sie bitte aber noch halten!

Morgens geht es für alle weiter:

Mein Werkzeug-Spender und seine Freunde haben die Idee, die Fahrzeuge zu tauschen:

Entscheiden sich dann aber leider doch wieder ziemlich schnell um 😉

Bei der Abfahrt treffe ich wieder auf die Franzosen vom Vortag und später noch die beiden Luxemburger, die ich schon aus Khorog und Duschanbe kenne. Und so geht es zu fünft weiter.

Marco-Polo-Schaf-Schädel:

(manchmal gar nicht so einfach, die Kamera gerade zu halten ;-))

Blick zurück zum See:

Bei dem Tempo kann ich nicht ganz mithalten, und so lasse ich mich zurückfallen, aber treffe die Gruppe später noch öfter auf dem Weg.

Die Straße gehört nun gefühlt fast nur noch den Radlern und Mongolia-Rallye Fahrern. Und hin und wieder mal ein einheimischer SUV.

Einmal stehen wir mit neun Radlern, einem (Beifahrer-)Hund und einem Rallye-Auto auf einer Passhöhe. Ich kann gar nicht alle Begegnungen aufzählen!

Endspurt zur Grenze: Ich treffe die Holländer wieder, und je schlechter die Straße wird, desto schöner die Landschaft:

2 Kommentare zu „Dem Himmel nah“

    1. I would agree liked seeing you actually cycle on my bike 😀
      Hope your trip goes on well and your Punto makes it all the way to Mongolia! (and you, too, of course!)
      Florian

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