Bei 45°C geht nichts mehr…

Es lief alles ganz gut, bis ich nach Shietpie kam. Hört sich etwas so an, als läge das in Ostfriesland ;D

Beim letzten „Anstieg“ – wenn man das so nennen kann, denn es ist eigentlich relativ flach, bietet mir noch ein Autofahrer den Sicherheitsgurt des Beifahrersitz an. Ich lehne dankend ab, da ich gerade erst Pause gemacht hatte:

Selbst den Dromedars ist es zu heiß. Auch mein eigenes sucht nun den Schatten, am Häuschen nebenan:

Zuvor bin ich durch eine extreme Trockenheit, aber trotzdem unheimlich spannende Landschaft geradelt. Immer von Häuschen zu Häuschen und vor dem geistigen Auge die kühle Limo in der lang ersehnten nächsten Stadt (Shietpie).

Noch ein paar Wüstenimpressionen:

Aber zurück. Ich am Anstieg, gerade erst wieder aufgestiegen und die letzten Kilometer vor der Stadt hinter mich bringend, weise das nette Angebot des Autofahrers ab. Es erschien mir auch relativ gefährlich. An der hintersten Ecke eines langsamen LKW festzuhalten ist da sicher noch was anderes, als dicht direkt neben dem Auto zu fahren. Bisher bin ich aber auch so noch überall hoch gekommen, zur Not schiebend. Keine fünf Minuten später, auf der „Berg“kuppe, bietet mir ein dort stehender Lasterfahrer an, das Rad auf den LKW zu laden. Neeee, jetzt auch nicht mehr, von hier ist die Stadt schon zu sehen und es geht nur noch bergab. Aber danke trotzdem. Interessant, dass ich vorher nie solche Angebote bekam, und nun gleich zwei direkt hintereinander. Für einen beliebigen späteren Zeitpunkt kann ich das Angebot wohl nicht aufsparen?

Da ist sie, die Stadt! Doch auf dem Weg bergab weht mir ziemlich heiße Luft entgegen. Ich komme mir vor, wie bei einer Privataudienz des Aufgussmeisters in der Sauna. In der Stadt selbst ist es nicht besser. Dafür stürme ich den ersten Supermarkt und kaufe gefühlt die Hälfte des Getränkevorrats. Dann passiert nicht mehr viel, ich sitze, trinke, sitze, trinke… und esse. Zum ATM muss ich noch und Wifi wäre nicht schlecht, was ich aber leider nicht finde. Dafür ist hier aber jedes zweite Haus an der Hauptstraße ein Supermarkt. Die sollten sich lieber mal etwas besser über die Wüstenstrecke verteilen. Diesmal habe ich über 15 Liter an Bord.

Irgendwie ende ich am Bahnhof, um dort erstmal „rein informativ“ nach einem Zug zu schauen. Gar nicht so einfach. Jeder erzählt was anders. Offensichtlich fahren hier auch nur nachts Züge, ich vermute wegen der Temperatur.

Einer sagt, 21.45 Uhr, das steht auch so ähnlich auf einer Tafel, wobei ich aber nicht erkennen kann, wohin dieser Zug fährt. Die Dame am Ticketschalter schreibt 20.45 Uhr auf einen Zettel, ändert aber dann wohl ihre Meinung und schreibt 21.45 Uhr auf die Rückseite. Eine dritte Person sagt, 4.00 Uhr. Ich bin total verwirrt. Zu allem Überfluss schreibt mir nun jemand über die „21.45“ Uhr auf dem Zettel die römischen Zahlen (und das auch noch falsch). Nein, ich kann die Zahlen lesen, das ist nicht mein Problem!

Tatsächlich weiß ich auch noch gar nicht so genau, ob ich wirklich Zug fahren möchte. Irgendwann trifft dann ein Zug ein und ich beschließe, einen der Zugbegleiter zu fragen. Ob sie nach Bejneu fahren (ich halte ihr die Karte hin). Ihr Kopfschütteln bestätigt meine Annahme (es ist 20.45 Uhr). Dann deute ich noch auf mein Rad und erhalte wieder ein Kopfschütteln. Als alle Passagiere eingestiegen sind und nur noch die Zugbegleiter draußen stehen, möchte ich mich nochmal bei einem anderen absichern. Auf einmal scheint der Zug aber doch in meinen Wunschort zu fahren, und auch das Rad könnte ich mitnehmen. Aber ich habe ja gar kein Ticket gekauft! Nach einigem hin- und her haben sie mich überzeugt, dass ich auch ohne Ticket sicher einsteigen kann, und gebe die ersten beiden Radtaschen in den Zug, um gleich den Rest folgen zu lassen. Ein Zugbegleiter möchte gleich das ganze Rad inkl. Taschen hochhieven. Kann er vergessen, ich habe doch gerade erst nachgetankt! Und nun fährt der Zug an. In Panik sehe ich schon meine beiden Fronttaschen mitfahren und mich hier zurücklassen. Ich bedeute ihnen, mir die Taschen rauszugeben, und bekomme sie gerade noch im letzten Moment zugeworfen. Der Zugbegleiter macht eine Kurbelbewegung mit den Händen. Ja, jetzt werde ich wohl doch radeln müssen.

Dazu muss ich sagen, dass alle Menschen unheimlich lieb und geduldig sind, und überhaupt nicht aufdringlich. Ok, mit der Ausnahme von einer offensichtlich betrunkenen Person, aber das gibt es wohl überall.

Aber was nun? Mir stehen bis zum letzten größeren Ort in Kasachstan über 300 km Wüste bevor, und wenn es so ist, wie die Temperatur heute, wird das nicht gerade angenehm.

Ich könnte ja einfach nach und vor Sonnenunter- bzw. Aufgang radeln. Erst fand ich diese Idee bescheuert, als sie im Gespräch mit anderen Radlern aufkam, denn man verpasst doch alles, da im Dunkeln nicht viel zu sehen ist! Nun sieht es aus, als würde ich es selbst tun. Es geht extrem schleppend voran, denn zu allem Überfluss gibt es auch noch ordentlich Gegenwind, genau von vorne (und meine Beine sind noch nicht wieder in topform). Nach einigen Kilometern beschließe ich doch mein Zelt aufzubauen und dann ganz früh weiter zu fahren. Ist gar nicht so einfach hier im Dunkeln das Zelt aufzubauen, mit der einen Hand leuchten um einen Platz mit möglichst wenig Büscheln Wüstengras (= stachelige Hubbel unter dem Zelt) zu finden und mit der anderen das gerade wegfliegende Zelt festzuhalten. Sogar einen Skorpion sehe ich, vielleicht ist es aber auch nur ein Molch mit einem Stachel am Gesäß, so sah er zumindest aus. Ich denke an den Hirten von gestern, der mich mithilfe des OhneWörterBuch auf die Skorpione hingewiesen hat, und mir in seinem Handy eine SMS mit dem Wetterbericht gezeigt hat, auf dem es bis zu 42°C werden sollte.

Mit richtig früh aufstehen wird es nichts, ich bin viel zu platt und so ist es schon 7 Uhr und der rotglühende Ball bereits am Himmel. Tatsächlich weckt mich das Geräusch des flatternden Zelts im Wind. Wind? Ich dachte der müsste sich bis zum Morgen gelegt haben? Vermutlich hat es aber nur nachts etwas abgeflaut. Eine kleine Hoffnung bleibt noch, in meiner verschlafenen Verwirrtheit bin ich mir noch unsicher, aus welcher Richtung der Wind bläst. Vielleicht habe ich ja Rückenwind?

Natürlich nicht.

Beim Zeltabbau leistet mir ein Hirte (glaube ich), der auf seinem Motorrad vorbeikommt Gesellschaft. Dann geht es los, gegen den Wind und bergauf. Ich beschließe, den nächsten LKW anzuhalten und zu fragen, mitgenommen zu werden. Es kam aber leider keiner mehr, so früh fahren wohl nicht so viele aus der Stadt hinaus. Und nun sitze ich hier, schon den ganzen Tag, in einem etwas größeren Bushäuschen.

Erst fühle ich mich schlecht, weil es einfach nicht vorwärts geht, denn so schön die Wüste auch ist, irgendwann hätte ich sie schon gerne hinter mir (vor zwei Tagen habe ich noch geschrieben, das mit der Temperatur sei gar nicht schlimm!). Und in Usbekistan wird es wohl nicht viel besser.

Als ich dann mal auf die Temperatur schaue, wird mir aber klar, dass es nicht nur an mir selbst liegt:

In der Sonne geht das dann auf über 60°C hoch (neugierig wie ich bin, habe ich das natürlich getestet, mich selbst dieser aber ferngehalten). Selbst die Fliegen, die mich heute Vormittag noch beim Versuch zu schlafen geärgert haben, sitzen nur noch müde auf dem Boden herum. Alles metallische fühlt sich heiß an, als hätte es lange in der Sonne gestanden.

Nun, 18 Uhr, überlege ich, wie es weiter gehen soll. Zurück nach Shietpie, versuchen den Zug zu nehmen? Fährt der Sonntags? Werde ich da mitgenommen, oder hatte ich gestern nur Glück mit dem gutwilligen Schaffner? Nochmal trampen versuchen? Oder noch etwas ausruhen und bei Sonnenuntergang losradeln?

4 Kommentare zu „Bei 45°C geht nichts mehr…“

  1. Hallo Florian,
    sitzen gerade wieder mal auf der Terrasse und lesen deinen Bericht .
    Wie immer ist er sehr spannend geschrieben,mein Kopfkino ist voll dabei.
    Beate freut sich schon immer wie ein kleines Mädchen wenn ich ihr am Abend
    deine Berichte vorlese.
    Pass in der Wüste gut auf dich auf, kenne das aus Namibia.
    Wir drücken dir alle verfügbaren Daumen.
    Gruß Beate und Thorsten
    P.S. du warst am Mittwoch auf dem Dünsberg wieder Gesprächsthema, alle sind stolz auf dich.
    Gruß Beate und Thorsten

    1. Hey Beate und Thorsten! Danke danke! Das ist echt motivierend, und freut mich natürlich auch sehr! Ich mache mich jetzt mal daran, einen neuen Beitrag zu schreiben, und dann geht es morgen hoffentlich wieder per Rad weiter 😀
      Viele Grüße, Florian

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