Auf in den Pamir

Wir sind schon ein seltsames Trio. Den einen erinnnern seine Knie, dass er wieder mal zu lange Pause gemacht hat, und er verwandelt sich aufgrunddessen von der sowieso schon langsamen Schildkröte in eine noch langsamere Schnecke. Der andere Hat Magen-Darm-Probleme, also mehr als sowieso schon jeder hier standardmäßig hat und der Dritte hat Probleme beim Atmen, evtl. die Höhe, oder auch ein eingeklemmter Nerv bzw. Rippe.

So schleichen wir uns seit Khorog den Pamir Highway hinauf, mal zu zweit, mal alleine, bald hoffentlich wieder zu dritt.

Ich selbst bin ziemlich froh, nach den langen Pausen in Dushanbe, Kalaikum und Khorog nun wieder im Sattel zu sitzen. Die Gastfreundschaft der Menschen ist phänomenal. Während einer kurzen Pause im Schatten unter einem Baum kommt eine Frau, die uns erst Mirabellen und Äpfel in die Hand drückt, und etwas später kommt sie nochmal wieder um uns gleich eine ganze Tüte davon zu schenken. Sicher 2 kg. Leider könnnen wir uns nur mit ein paar Lollis für die Kinder bedanken.

Keine halbe Stunde auf dem Rad später, werden wir an einem Dorfbrunnen von mehreren Männern eingeladen, was wir aber ablehnen, da wir noch nicht so lange unterwegs sind und noch ein paar Kilometer machen möchten. Sie freuen sich trotzdem riesig über uns und schenken uns schon wieder eine große Tüte Mirabellen. Wie sollen wir das denn alles den Berg hochschleppen? Aber keine Chance es auszuschlagen.

Zum Abschied leiste ich mir noch einen Tritt in’s Fettnäpfchen, indem ich sage „We love Tadschikistan“. Wie wir später erst erfahren, bzw. wieder dran erinnert werden, nennen die Leute sich hier Pamiris, und sehen sich von Tadschikistan unabhängig. Trotzdem lassen sich die Herren meinen Fauxpas nicht anmerken. Nächster Stopp ist dann an einnem kleinen Geschäft, wo wir auch gleich zum Essen eingeladen werden. Ich bin um die Pause ganz dankbar, da meine Knie sich nun immer mehr bemerkbar machen. Highlight ist der Billardtisch, den die Jungs hier seit drei Wochen stehen haben. Sie laden uns zu einem Spiel ein. So sitzen wir mit Essen, kühlen und heißen Getränken, spielen Billard und bekommen nebenbei Fotos anderer Reisender gezeigt, die hier vorbeigekommen sind. Ein paar erkennen wir sogar wieder. Klar, dass auch wir in deren persönliche „Hall of Fame“ aufgenommen werden.

Das Billardspiel ist dagegen nicht so erfolgreich. Nach einer gefühlten Stunde ist erst eine Kugel versenkt. Und das von der gegnerischen Mannschaft! Die Regeln werden geändert, nun dürfen alle Kugeln zum Anstoßen verwendet werden. Aber auch das hilft nichts. Clemens kommt irgendwann auf die Idee, ob die Kugeln überhaupt in die Löcher des Tisches passen. Tatsächlich sind die Kugeln entweder viel zu groß, oder der Tisch für die Kugeln zu klein! Da wir für die geschätzten nötigen drei Tage um das Spiel zu beenden keine Zeit und Lust haben, verabschieden wir uns irgendwann lachend.

Die Landschaft wird immer fantastischer, riesige Gesteinsmassen türmen sich um uns herum auf, teils schneebedeckte Gipfel, zwischendurch entlang eines Flusses schlängelt sich unsere Straße, der wir folgen.

Trotz der Knie fühle ich mich ziemlich wohl und spüre, dass es die richtige Entscheidung war, weiter zu fahren. Nur manchmal, wenn ein Auto dicht überholt, ohne dass ich es rechtzeitig bemerke, oder mir aufgrund von Schlaglöchern auf meiner Spur entgegenkommt, spüre ich einen Adrenalinschub, der vor einer Woche noch nicht dagewesen wäre.

Clemens ist sehr geduldig mit mir und wartet oft, obwohl ich ihm sage, dass er ruhig weiter fahren kann um mich dann später zu treffen.

Abends haben wir einen wunderschönen Zeltplatz, sogar mit Wiese, Fluss, Schatten und völlig eben, aber das Highlight ist: Der Nachbar bringt uns erst eine Tasse voller Honig (gegenüber steht der Bienenstock) und Brot und später dann noch seinen wahrscheinlich besten Teppich.

Am nächsten Tag holt uns dann Henni ein, und ein paar gemeinsamen Kilometern kommt es aufgrund verschiedener Umstände (siehe oben) dazu, dass jeder von uns seinen eigenen Schlafplatz findet. Ich bin gefühlt gerade erst gestartet und möchte noch ein paar Kilometer in die Pedale treten. Um meiner Knie willen und auch um mal wieder etwas alleine zu sein und in Ruhe die Gedanken schweifen zu lassen, Musik zu hören und etwas Einsamkeit zu genießen.

Wir verabreden uns für den nächsten Tag per SMS, denn Internet ist meist schlecht hier. Ich frage mich unterwegs, ob ich schon mal so lange ohne Handyempfang war. Doch….. im Lahntal!

Unterwegs treffe ich dann noch auf zwei Engländer, wie sie englischer nicht sein könnten. Sie fahren die Mongolia Rallye und reparieren seit 5 Stunden einen Achsbruch. Glück für sie, dass sie das Auto in Einzelteilen gekauft haben, und selbst zusammengebaut haben. Und dann auch noch das passende Ersatzteil im Gepäck haben!

Der Abend verläuft dann anders, als von mir gedacht. Es dämmert schon und ein älterer Pamiri winkt mich zu seinem Haus. Ich mache mit den Händen Schwimmbewegungen und er stimmt zu. Er zeigt mir seinen Schlafplatz und möchte mein Rad in’s Haus stellen. Ok, denke ich mir, dann bleibe ich hier. Nach einem Tee bringt er mich noch zu einem Schwimmbecken mit heißer Quelle, das er wohl selbst gebaut hat. Und danach gibt es noch Brot, Kekse und Schafskefir zum Abendessen. Der Höflichkeit halber esse ich ein paar Löffel des Kefir, und bin dann überraschend plötzlich satt. Ich hoffe nur, dass mein Magen das mitmacht!

Geheizt wird der Raum mit Schaf- oder Kuhdung, aber das ist hier überall üblich.

In der Nacht werden wir dann von lautem Klopfen an’s Fenster geweckt, es muss zwischen zwei und drei Uhr sein. Eine Marshrutka mit vier Personen steht vor dem Haus, für die nun auch Teppiche zum Schlafen ausgerollt werden.

Eine echt interessante Erfahrung, diese Übernachtung. Am nächsten Morgen mache ich mich trotzdem möglichst schnell zum nächsten Dorf auf und warte bei einem Laden auf Henni und Clemens.

Dies wird wohl der letzte Versorgungsstop vor viel Einsamkeit in den nächsten Tagen. Weder Tankstellen, noch Kiosks („Magazin“) oder Mobilfunkempfang wird es geben.

Netterweise geben uns auf dem Motorrad vorbeifahrende Engländer bestes englisches Benzin für den Kocher (der nun immer mehr rumzickt).

Immer wieder treffen wir auf alte Bekannte aus Hostels und Co. Ob es der Volvofahrer ist, der in Khorog zwei Wochen auf Ersatzteile gewartet hatte und schon fast auf dem Rückflug war, oder Rick den ich nun schon mindestens zum dritten Mal treffe.

 

Vielen Dank auch für eure Kommentare, die vielen lieben Worte, die Grüße an Henni, die ich gerade ausgerichtet habe. Mangels guter Verbindung hab ich gerade leider nicht selbst auf alle antworten und leite auch den Blogtext nur über WhatsApp weiter. Bis die Tage dann mal, evtl. in Murghab.

6 Kommentare zu „Auf in den Pamir“

  1. Hi Flo.
    Du hast eine gute Entscheidung getroffen.
    Weiterfahren ist oft die beste Wahl. Und genießen!
    Herzliche Grüße aus Teheran/ Iran.

    1. Hallo Margot! Hier in Murghab habe ich etwas Empfang, da kann ich auch wieder kommentieren 🙂
      Ja, weiterfahren war richtig, es fühlt sich gut an. Ich hoffe, bei dir geht es auch gut voran, und dass auch die Tecnnik weiter mitmacht!
      Liebe Grüße
      Flo

  2. P.S. Hat keiner von euch für den armen Magen-Darm Loperamid oder Ähnliches dabei? Da helfen meist schon die beiden Starter Tabs.
    Und ich spreche aus Erfahrung. ; – ]

  3. Hey Flo,
    Mega cool wie weit du schon gekommen bist! Deine Erzählungen sind spannend zum lesen. Ich wünsche dir auf dem weiteren Weg nur das Beste. Liebe Grüße aus Österreich 🙂 Carina

    1. Hey Carina!
      Schön, von dir zu hören, ist ja nun schon eine Weile her, dass ich bei euch war. Und danke für die lieben Wünsche und Grüße!
      Das wünsche ich euch natürlich genauso nach Österreich zurück 🙂
      Flo

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