Ich radel, also bin ich

…wohl ganz schön verrückt!?

Könnte ich meinen, wenn

  • ich gerade über Wellblechpiste bergauf kurbel, jeder Schlag den Inhalt der Lenkertasche auf dem Sandboden verteilen würde, wäre sie nicht geschlossen
  • gegen Wind ankämpfe, der mich nur noch mit 5 km/h voran kommen lässt, zum Anhalten zwingt, oder sogar im Stehen umwirft
  • die Laster überholen oder entgegenkommen und Staub aufwirbeln, dass es zwischen den Zähnen knirscht und in den Augen reibt
  • es unklar ist, ob ich den nächsten Campingplatz noch erreiche, oder sich etwas neben der Straße zum Übernachten finden lässt, wo doch alles eingezäunt ist hier
  • Bremsen um mich herum fliegen, mal eine mal drei oder vier und nur darauf warten, dass ich kurz unaufmerksam bin, um zuzubeißen. Oder ich sie noch bemerke und beim wegscheuchen auf dem Schotter die Spur verliere und wegrutsche
  • die Beine schon schmerzen und ich hinter dem erhofften Ende der Steigung um die Kurve sehe und noch einen weiteren Anstieg entdecke
  • oder gleich mehreres aus dieser Liste zusammen?

Und dann komme ich oben auf dem Hügel an und sehe so etwas:

Mein Lieblingsfoto

  • solche Aussichten, die sich mir bieten
  • das Gefühl, es aus eigener Kraft hier her, oder hier hoch geschafft zu haben
  • das Treffen mit anderen Radfahren am Wegesrand
  • der chilenishe Autofahrer, der einfach anhält und mir ohne Grund eine Banane schenkt
  • die Motorradfahrer, die ausnahmslos alle grüßend vorbeifahren
  • die Radfahrerin, die ich schon zum dritten mal sehe, jedes Mal wenn einer gerade Pause macht und sie jedesmal versichernd nachfragt, ob alles ok ist
  • das richtige Lied zur richtigen Zeit über meine Kopfhörer, das schöne Erinnerungen oder Emotionen auslöst, passend zur Abfahrt nach anstrengender Passauffahrt in wunderschöner Landschaft
  • der Autofahrer, der stoppt um zu fragen ob alles ok ist, nur weil ich gerade in die Karte schaue
  • das Sandwich des chilenischen Farmers, das er mir nach einem langen Tag serviert
  • die (hoffentlich warme) Dusche, die den Staub von zwei Tagen Straße abspült
  • ein Bett oder meine Isomatte, auf der ich nach der Tagesleistung erschöpft einschlafen kann
  • und vieles vieles mehr, was mir gerade nicht einfällt oder was ich auch gar nicht hier vermitteln kann oder möchte

Ohne die Strapazen wäre einiges aus der Schön-Liste nicht dasselbe.

Ansonsten bin ich weiter fröhlich auf der Straße und genieße (meist :D) die Zeit.

Klar, staubaufwirbelnde Laster, Autos etc… Aber an so etwas gewöhnt man sich. Ich ziehe jedesmal die Wangen hoch um die Brille abzudichten und atme aus. Leider geht das nur endlich lange, manchmal knirscht es dann etwas im Mund.

Auf diesem Schild steht: „Achtung, langsame Radfahrer, die den Klettscher anglotzen und unvorhersehbar dem Wellblech ausweichen, oder zuckend nach Bremsen schlagen. Bitte vorsichtig und rücksichtsvoll überholen, denn sie atmen den Staub weg und halten damit die patagonische Luft sauber. Danke.“

Ich wundere mich etwas über die Schreibweise „Klettscher“ und fahre kopfschüttelnd weiter. Aber beim Rest haben sie eigentlich recht.

Wenn man denkt, das Tagesziel fast erreicht zu haben, und dann so etwas erblickt…..

Aber dafür dann mit dieser Aussicht belohnt wird.

Das erinnert mich sehr stark an den MacDolands in Korogh.

Noch ein Beispiel für eine nach innen kippende Kurve mit Wellblech. Die meisten Radfahrer fahren hier mittig. Ich auch, bei meinem Rad ist die Neigetechnik gerade defekt.

Andere Scherzkekse waren hier auch schon unterwegs.

Schöner Zeltplatz direkt am Fluss unter Bäumen.

In der Nacht hat es geregnet, auf dem Zelt bleibt diese weiße Verfärbung zurück. Staub, der auf den Blättern der Bäume abgelagert war!

So ganz dicht ist das Zelt wohl nicht mehr, das Fußende des Schlafsack und die Klamotten am Kopfende sind etwas klamm. Unter der Isomatte zeigt sich dieses Bild. Ist aber alles halb so wild.

Hier ist sogar Handyempfang. Während ich meinen Morgenkaffee schlürfe, lese ich einen Artikel über Viren, die im auftauenden Permafrost gefunden wurden. Welche Viren wohl erst in meinem Kaffeebecher so alle entdeckt werden könnten!

Ist das eine Zecke? Überhaupt sehe ich relativ wenige Tiere. Von Bremsen abgesehen. Einmal sehe ich in der Ferne etwas, das ich erst für einen Hund halte, was aber vielleicht auch etwas Luchsartiges oder Richtung Fuchs gewesen sein könnte. Auf der Straße ist ganz selten mal etwas Plattgefahrenes, und das hat dann fast immer Federn.

🙁

Irisierende Wolken

Wieder eine farblich passende Trinkflasche gefunden!

Waren die Schreiber dieses Schilds unter Einfluss von Betäubungsmitteln und haben Buchstaben verdreht?

Nach der wunderschönen Fahrt entlang des so unglaublich blauen Sees und der Nacht am Fluss, bleiben nur noch ca. 45 km bis in die nächste Stadt. Entspannt. Denke ich. Es geht aber bergauf und bergab auf Wellblech und es fühlt sich nach dem Dreifachen an. Aber die Stimmung ist gut. Es geht eben einfach nur etwas langsam voran.

Man sieht es kaum, da schlängelt sich die Straße entlang.

Als ich wieder mal von einem dieser Wohnmobile überholt werde, überlege ich, wie viele es pro Tag von dieser Sorte sind. 5-10 Stück? Nein, das ist wahrscheinlich zu viel. Vielleicht 4 oder 5. Vielleicht ist es auch nur eines, das mich ständig immer wieder überholt? Während ich so da stehe kommen noch zwei weitere dieser Art vorbei. Ok, dann doch eher 5-10 Stück!

Meine Statistik schätzt, die eine Hälfte der Fahrzeuge hier besteht aus Pickups und Wohnmobilen, die andere aus Bussen, und kleinen LKW und die dritte aus Motorrädern und Radlern (und der Rest aus normalen Autos).

Wenn ich mal älter bin, fahre ich mit meiner Familie in so einem Ding hier lang. Und sage „Bitte langsam an den Radfahrern vorbei fahren. Hatten wir nicht noch ein Snickers im Handschuhfach, was wir ihnen geben können?“