Die schönste Sackgasse der Welt*

*Stellt euch hier bitte Verkehrszeichen 357-50 vor

Alternativtitel: „Schwarzkeks: der Erdnussriegel der Chile-Radler“

In Cochrane gibt es erst einmal eine Dusche, Wäsche für die Kleidung und ein leckeres Abendessen.

Dann muss ich einkaufen, da es auf den nächsten 250 km bis Villa O’Higgins keine Einkaufsmöglichkeit mehr geben wird. Ich rechne ca. 5 Tage. Damit ist das Fahrrad schwerer als je zuvor auf dieser Reise. Pasta, Thunfisch, Frühstückflocken, Obst, etwas Milch, frisches Brot für den ersten Tag und Cookies 😀 Eine kleine Rolle pro Tag, das gibt extra Schub an den Anstiegen. Und die Taschen gehen kaum noch zu.

Funkamateuere gibt es hier auch, überhaupt stehen in jedem Dorf riesige Satellitenschüsseln um das Mobilfunknetz zu versorgen, wie ich annehme. Dies hier scheint mir aber tatsächlich ein Funkamateur zu sein, irgendwie hat es ihm aber den Strahler des Beams verdreht. Leider sehe ich niemanden am Haus, sonst hätte ich ihn mal gefragt was er hier für eine Anlage hat.

Der Weg Richtung Süden startet super schleppend, und ich frage mich schon wie ich das in den fünf Tagen schaffen soll, aber nach dem ersten Pass geht es dann deutlich besser. Ich treffe zwei Radler, Vater und Sohn, verbunden über zwei lange verknotete Gurte. Freiflauf defekt, Sperrklinken gebrochen, er hat nun Freilauf in beide Richtungen und keinen Antrieb mehr. Der Sohn schleppt den Vater ab. Viel tun kann man da nicht fürchte ich, außer das ganze Hinterrad zu tauschen. Ob sie nicht auf einem Pickup mitfahren möchten, frage ich. „Nein nein, es geht gut, schon seit 8 km“ sagt der Vater (der ja entspannt hinten sitzt). Dieser Abschnitt war allerdings flach, und sie hatten Rückenwind. Ich treffe sie am Fuße des Passes, den ich gerade überwunden habe, und den sie nun hoch müssen. Ich wünsche dem Sohn insgeheim, dass sie doch noch einen Pickup finden.

Abends komme ich auf einer Farm mit wunderschönem Campingplatz an und übernachte mit 4 US-Amerikanern, die schon einige Stunden hier sind. Sie bekommen gerade Abendessen im Wohnzimmer der Farm (wie ich später herausfinde, bis dahin wundere ich mich über den leeren Platz), ich koche mir meine Pasta mit Thunfisch. Muss ja auch die Vorräte abbauen, das Rad ist schwer!

Eine kleine Katze weicht mir seitdem nicht mehr von der Seite. Keinen Millimeter. Selbst beim Abwasch versucht sie noch ein paar Reste aus den Töpfen zu erhaschen.

Am nächsten Morgen wecken uns die Kühe, aber auch Enten, Hühner, Hunde und Ziegen gibt es hier. Das Farm-Frühstück gönne ich mir heute auch, zusammen mit den anderen Radlern. Wir haben gemeinsam Mitleid mit dem Sohn, der seinen Vater zieht, sie haben die beiden auch getroffen 😀

Nachdem ich mein Rad und mich vom alles ankauenden Ziegenbock gerettet habe, geht es weiter auf die Schotterstraße. Es gibt Fähren morgens, mittags, um 15 Uhr und eine um 18 Uhr, so meine Recherchen. Der Hafen liegt in 50 km Entfernung. Die Fähre ist staatlich betrieben und kostenlos. Sonst gibt es keinen Weg, der die Carretera weiterführt.

Es geht sogar mal durch Wald, was sehr angenehm ist, da er vor Wind und Sonne schützt.

Wenn ich mich beeile, schaffe ich vielleicht die 15 Uhr Fähre, und kann dann Nachmittags noch etwas radeln. Von der anderen Seite aus sind es noch ca. 100 km und 1500 hm. An einem Tag nicht schaffbar. Aber wenn ich heute davon noch etwas mache, komme ich vielleicht sogar schon am nächsten Tag in Villa O’Higgins an. Nach 3 Tagen insgesamt. Dafür muss ich aber erst mal die 15 Uhr Fähre erreichen. Ich nehme die Herausforderung an, obwohl ich eigentlich keine Eile habe.

Mittagessen mal wieder in einem Bushäuschen, mit Gesellschaft. Sie bettelt um Essen, springt sofort auf meine Lenkertasche hoch. Leider sinkt sie auch wirklich schlimm und lässt erst von mir ab, nachdem sie merkt, dass sie nichts von mir bekommt. Für mich gibt’s nur ein paar Haferflocken, für Kochen habe ich keine Zeit. Währenddessen überlege ich, was ich der Hündin geben kann. Eigentlich sind nur noch Cookies und Haferflocken da, Nudeln habe ich ja keine gekocht. Zucker ist bestimmt nicht gut für Hunde. Dafür dass sie so schön fürs Foto posiert hat, gehe ich ihr ein paar Haferflocken, als sie wieder auftaucht.

Jetzt starten die letzten 20 km bis zur Fähre, und es geht ordentlich bergauf. Ich habe noch zwei Stunden, das ist schaffbar! Die Playliste spielt zufällig Locomotive Breath, wie passend. So fühle ich mich auch, wie eine schnaufende Dampflock.

Ein Motorradfahrer überholt mich kurz vorm höchsten Punkt und wirbelt anfeuernd mit der Faust. Ich liebe es.

Laut Schild muss es hier wohl doch noch andere Tiere außer Bremsen geben. Ich sehe aber keine.

Etwas weiter steht der Motorradfahrer mit einem Radler, den ich einige Tage zuvor schon mal getroffen habe. Es gibt einen wunderschönen Blick auf einen Wasserfall.

Aber nun abwärts zur Fähre! Noch 45 Minuten! Die beiden sind schneller als ich, und ich bemerke plötzlich ein Schleifgeräusch am Rad. Wenn ich die Hinterbremse betätige, ändert es sich. Ich vermute/hoffe, dass es die abgenutzten Beläge sind, und nichts anderes, sehe aber nichts was sonst stören könnte. Also etwas langsamer fahren und hauptsächlich vorne Bremsen. Abwärts auf Schotter ist das Mist. Ich hätte lieber auf die Vorderbremse verzichtet. Ok, verzichten muss ich nicht auf die Bremse, Bremskraft ist noch da, aber es ist nicht gut für die Scheibe, wenn schon die Halteklammer (Metall auf Metall) schleift.

Um eine Kurve entdecke ich dann den Radler von eben. Sein Rad auf dem Kopf stehend, Hinterrad ausgebaut. Mist! Ausgerechnet jetzt. Platten, weil er mit zu wenig Luft über einen großen Stein rüber gefahren ist. Und der Ersatzschlauch hat ein defektes Ventil. Was nun? Meine Schläuche passen nicht. Schließlich bekommt er es hin, indem er einfach mit einem Stein auf’s Ventil schlägt. So löst man die Probleme auf der chilenischen Carretera denke ich, halb zitierend 😀

Er fängt an zu plaudern, dass man irgendwo Räder ausleihen kann, so ganz genau verstehe ich nicht, was er erzählt, aber er hat anscheinend die Ruhe weg. Ich sage „Ferry, ferry!“ und pumpe wie ein Weltmeister. Beim Zuschrauben des lädiert en Ventils entweicht die Hälfte der Luft sofort wieder. Das reicht nicht! Also wieder von vorne. Diesmal klappt es. Er baut das Rad ein. Ich starte schon mal, während er das Gepäck noch auflädt, er ist sowieso schneller als ich.

Kurz danach holt er mich ein, und wir schaffen es tatsächlich noch auf die Fähre. 14.45 Uhr ist es, als wir ankommen, die Rampe wird direkt hinter uns hochgezogen und wir legen ab. Yeah! Was ein Glücksgefühl. Wir haben es geschafft.

Er heißt Abel oder Pawel, und ist aus Spanien. Auf der Fähre prüfe ich erst mal die Bremsbeläge. Tatsächlich, die sind fertig.

Nicht zu früh getauscht.

Die anderen Radler und Abel helfen mir noch beim Radein- und Ausbau und dann starte ich ganz gemütlich und glücklich um noch ein paar Kilometer zu fahren, damit die Etappe morgen machbar wird.

Dieses Schild überrascht ich etwas. Dachte ich doch, die Ruta 7 ist die Carretera Austral und führt komplett bis Villa O’Higggins. Vorsichtshalber mache ich schon mal ein Abschiedsfoto 😀

Mein gewünschtes Tagesziel erreiche ich nicht mehr, aber auf iOverlander steht ein schöner Wildcampingplatz, neben einem Fluss. Als ich meiin Rad von der Straße wegschiebe sehe ich ein anderes Rad und ein Zelt in einer Vertiefung versteckt stehen. Und da ist Astrid, gerade ihre Pasta mampfend. Eine Radlerin aus Dänemark, die ein Semester Pause vom Studium macht um Südamerika zu erradeln. Ich habe sie schon zwei Tage zuvor am Camingplatz in Cochrane kennengelernt. Nachem ich mich versichert habe, dass es ok ist, wenn ich mich zu ihr geselle, baue ich mein Zelt auf. Sie ist sogar ganz froh, denn es ist ihre erste Nacht, die sie wild campt.

Ihr Lenker, mit improvisierter Reparatur des Shifter, nachdem er unterwegs bei einem Unfall nicht mehr funktionierte. Irgendwie genial!

In der Nacht regnet es, auch am Morgen beim Abbau ist es noch leicht am nieseln. Das Zelt hält diesmal etwas besser dicht, ist außen aber natürlich klatschnass und muss so von mir eingepackt werden.

Jetzt kommt noch mal ein ordentlicher Anstieg. Ich genieße die Wolken-Stimmung, gab es doch zuvor fast immer nur blauen Himmel. Die Regenkleidung verschwindet bald in den Taschen, da ich von innen sonst nasser werde als ohne Regenkleidung von außen. Zum Glück bleibt es beim Nieseln.

Hier noch ein paar Bilder und Eindrücke vom letzten Abschnitt der Strecke:

Alle 500 m komme ich an einem Wasserfall vorbei, gespeist von den Gletschern über mir.

Astrid und ich überholen uns noch ein paar mal gegegnseitig, bis sie irgendwann Richtung Villa O’Higgins davonfährt, während ich den See fotografiere:

Es nieselt etwas

Auf den letzten Kilometern begrüßt mich dann ein Regenbogen am Ziel.

Geschafft! Das Ende der Carretera Austral! Was eine schöne Tour.

Gerade auf Unterkunftsuche, höre ich Astrid rufen, sie ist schon etwas länger da und auf dem Weg zum Fährbüro um Tickets zu buchen. Sie versteht sich perfekt mit dem Personal, das nur spanisch spricht, obwohl sie selbst angeblich kein Spanisch spricht und sichert uns Tickets für Donnerstag.

Ich beziehe nun auch noch meine Unterkunft und Abends gibt es zur Belohnung für uns Pizza und Bier. Was will man mehr? Genial.

Wie es wohl weiter geht, am Ende der Sackgasse?